Von der Sparsamkeit der Verführung

BITBURG. Das Geheimnis seiner Sympathie zu Mozart hat Eric-Emmauel Schmitt in Bitburg gelüftet. Der Schriftsteller las im Rahmen des Eifel Literatur Festivals aus seinem neuen Buch "Mein Leben mit Mozart".

Der Mann ist ein Verführer. Im Bitburger Haus Beda rücken die Menschen zusammen, eng, enger, noch enger. Josef Zierden, Organisator der Eifel Literatur Festivals, und Werner Pies von der Kulturgemeinschaft Bitburg - bei Lesungen in Bitburg neben der Dr.-Hanns-Simon-Stiftung immer Partner des Eifel Literatur Festivals - schleppen Stühle über Stühle in den Saal und schaffen so Sitzplätze für einige derjenigen, die der Name Eric-Emmanuel Schmitt trotz der winzigen Hoffnung auf Restkarten an der Abendkasse zur Reise nach Bitburg verführt hat. Dabei war die Lesung schon seit Tagen ausverkauft.

Der Mann ist ein Verführer. Aber als der grauhaarige, kleine Autor mit Übersetzer Tobias Eisermann die Bühne im Haus Beda betritt, mag man kaum glauben, dass er auf dem Büchermarkt alle Dimensionen sprengt. Konzentriert wirkt er, in sich ruhend. Er lächelt ins Publikum - seine Fangemeinde, die der Philosophie-Professor, Dramaturg, Erzähler und Übersetzer millionenfach zum Lesen verführt hat, und die ihn zu einem der meistgelesenen und -gespielten französischsprachigen Schriftsteller weltweit gemacht hat. Sein Roman "Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran" - auf Deutsch im Jahr 2002 erschienen - hat inzwischen Kultstatus. Ebenso wie "Oskar und die Dame in Rosa", das ein Jahr später auf den deutschen Markt kam. Sein Rezept: eine aufs Wesentliche reduzierte Sprache, Geschichten, die zu Herzen gehen, und leicht verständliche Botschaften der Verständigung, mit denen Schmitt in einer modernen europäischen Welt, in der traditionelle Religionsformen immer weniger eine Rolle spielen, den Nerv der Zeit trifft.

Der Mann ist ein Verführer. Wie Mozart, dem der ausgebildete Konzertpianist sein jüngstes Buch gewidmet hat. Aus "Mein Leben mit Mozart" liest er vor mehr als 300 Zuhörern in Bitburg - nicht in Deutsch, wofür er sich gleich in Deutsch mit französischem Akzent entschuldigt. Ebenso für seine nun korrigierte irrige Annahme, "dass man Bitburg trinken kann und nicht besuchen". Abwechselnd mit Übersetzer Eisermann liest er in Französisch Passagen aus seiner Hommage an Mozart, dem der Autor seelenverwandt ist. Dem Kritiker vor mehr als 200 Jahren genau das vorwarfen, was einige dem Publikumsliebling Schmitt vorwerfen: dass sein Werk zu populär sei. Für den 1960 in Lyon geborenen Erzähler ein Irrtum, dem er selbst als junger Mann aufgesessen sei. In seinem Buch schreibt er an Mozart: "Verzeih mir, ich war dem Snobismus erlegen. Aber du gefällst zu vielen Menschen - vom Kind bis zum Greis, vom Analphabeten bis zum Gelehrten, vom Reaktionär bis zum Avantgarde-Regisseur - und taugst daher nicht zum Autor snobistischer Eliten." Als sich Schmitt aber auf Mozarts Musik einlässt, hilft sie ihm - beim Weltschmerz als Jugendlicher, nach dem Tod der geliebten Frau, beim Gedanken an den eigenen Tod. Mozart hilft, so schreibt Schmitt, "die Tragik des Daseins zu billigen. Sich dem Leben nicht durch Leugnen verschließen. (...) Die Wirklichkeit annehmen. Wie immer sie auch sei." Schmitt entdeckt in Mozarts Musik eine Sparsamkeit der Mittel, die den Menschen zurückführt zu den wirklich wichtigen Dingen des Lebens. Ebenso gelingt es dem in Brüssel lebenden Mittvierziger, mit "Mein Leben mit Mozart" die Menschen zu berühren. Im Gespräch mit Eisermann berichtet er in Bitburg über die große Resonanz auf seine Mozart-Hommage: "Ich dachte, ich hätte ein persönliches Buch geschrieben. Aber ich habe auch ein Buch fürs Publkum geschrieben. Als ich das Buch in Frankreich im Radio vorstellte, schrillten die Telefone unaufhörlich. Die Leute sprachen über essenzielle Dinge. Sie fanden sich wieder in meinem Buch." Wie in vielen seiner Werke. Und so drängen sich seine Verehrer nach der Lesung um den Signiertisch, wo Menschenfreund Schmitt geduldig Fragen beantwortet und an die tausend Bücher mit seiner Unterschrift adelt.

Der Mann ist ein Verführer. Und lässt sich selbst gerne verführen. Einer weiteren Lesung im kommenden Frühjahr in der Eifel habe er bereits zugestimmt, sagt Festivals-Organisator Josef Zierden. Wenn's klappt, sogar mit seinem Freund Mario Adorf. Noch so ein Verführer.

Erstmals in deutscher Übersetzung erschienen ist Schmitts "Milarepa" (Amman Verlag), ein Roman über eine Indienreise des Autors.

Nächste Festivalveranstaltung: Senta Berger, 8. September, Irrel, Bürgerhaus, 20 Uhr.

Die Veranstaltung des Eifel Literatur Festivals mit Professor Dietrich Grönemeyer am 27. Oktober in der Synagoge Wittlich ist ausverkauft.

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