Von der Tonleiter auf die Karriereleiter

Wenn im Trierer Theater besondere stimmliche Genüsse außerhalb des Spielplan-Repertoires anstehen, hat meist der rege Richard-Wagner-Verband die Finger im Spiel. So war es auch bei der glanzvollen Gala mit Preisträgern des aktuellen Wagner-Gesangswettbewerbs. Und auch das Trierer Orchester lief zu Hochform auf.

Trier. Bei Preisträger-Konzerten liegt immer eine ganz besondere Spannung im Saal. Jeder hofft, dass sich unter den hoffnungsvollen Nachwuchs-Talenten jemand befindet, der sich später als Weltstar entpuppt - was wiederum dem geneigten Zuschauer die Chance verschafft, zu sagen: Ich war damals schon dabei.

Vor fast einem Jahrzehnt war das so, als die junge Anja Kampe in Trier Aufsehen erregte. Wer sie heute sehen will, muss nach London, Los Angeles oder Wien pilgern. Kein Wunder also, dass bei den vier nach Trier eingeladenen Preisträgern des internationalen Wettbewerbs "Wagners neue Stimmen" mancher im Publikum darüber sinnierte, wer wohl in Kampes Fußstapfen treten könnte.

Vielleicht die Schwedin Paulina Pfeiffer, die am ehesten der Vorstellung einer "Wagner-Stimme" entspricht: kraftvoll, dunkel und warm timbriert, höhensicher. Auch bei einer Parade-Arie wie "Dich, teure Halle" aus Tannhäuser sind keine Volumen-Grenzen erkennbar. Dafür aber "typische" Probleme einer dramatischen Stimme: mangelnde Wortverständlichkeit und Neigung zum Vibrato. Beides sollte behebbar sein.

In Sachen Ausstrahlung nicht zu toppen: Die Amerikanerin Betsy Horne, gerade vom Mezzo- ins Sopran-Fach gewechselt. Eindringlich Elsas Lohengrin-Arie, bezaubernd-innig und ohne falsche Sentimentalität das "Lied an den Mond" aus Dvor{cech}áks "Rusalka". Exzellente Diktion, dazu eine sehr reine Stimme, die sich in der Höhe noch nicht ganz blühend öffnet - der Wechsel ins höhere Fach ist ja auch noch frisch. Horne wird Karriere machen. Ob mit Wagner, ist eine andere Frage.

Das gilt auch für den koreanischen Bariton Yoontaek Rhim. Erstaunlich, wie der gerade mal 26-Jährige mit dem vertrackten Text des Auftrittsliedes des "Fliegenden Holländers" zurechtkommt, lobenswert seine sängerische Präzision. Was da einstweilen fehlt, ist die Fähigkeit, ein 65-köpfiges Orchester zu dominieren, sich gegen die Klangfluten von Wagners aufgewühlter See durchzusetzen.

Überzeugende Solisten, starkes Orchester



Am weitesten in Sachen sängerische Gestaltungskraft, Körpersprache und Reife ist fraglos Falko Hönisch (32). Sein Lied an den Abendstern ist unaufdringlich-kultiviert, sein leidender Amfortas arbeitet souverän mit dynamischen und stimmlichen Kontrasten. Man versteht bei ihm buchstäblich jedes Wort, sein Bariton klingt nobel und beherrscht. Bis zu den schweren Heldenrollen wird es aber ein langer Weg.

Einen Zucker-Abend erwischt das Trierer Orchester. Konzentriert vom ersten Takt an, engagiert in allen Instrumentengruppen, mit prächtigem und trotzdem transparentem Klang. Gute Arbeit von GMD Victor Puhl. Ein klares Wagner-Profil kann man bei ihm aber noch nicht endgültig erkennen. Etwas zu behäbig-majestätisch die Rienzi-Ouvertüre, fiebernd und unter Starkstrom der Holländer, Eleganz, aber auch leichte Spannungsschwankungen beim Walküren-Finale und dem Walhall-Einzug. Und dann, am Schluss ein brillantes Meistersinger-Vorspiel, viel akzentuierter als bei der Saison-Eröffnung, federnd, beseelt, mitreißend.

Man darf gespannt sein, wann sich das Haus wieder an eine Wagner-Oper traut. Die letzten "Rheingold" und "Parsifal" etwa liegen Jahrzehnte zurück.

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