Von der Weite Grönlands in die Enge der Großstadt

Trier · Das Nationaltheater Grönland gibt ein Gastspiel im Theater Trier (Donnerstag, 26. November, 19.30 Uhr). Im Studio zeigen vier Schauspieler das Leben des Inuit-Jungen Minik, der von Forschern nach New York verschleppt wird.

Trier. Es ist eine grausame Geschichte, unverständlich und rückständig: 1897 nimmt der Polarforscher Robert Peary von einer Expedition nicht nur Fundstücke und Notizen für das American Museum of Natural History in New York mit, sondern auch Ausstellungsstücke. Lebende Ausstellungsstücke. Unter diesen sind der Junge Minik und sein Vater.
Statt in der eisigen Weite Grönlands leben sie fortan in der Enge New Yorks, im Keller des Museums, wo anthropologische Studien an ihnen durchgeführt werden. Besucher dürfen sie bestaunen, sich vor ihnen fürchten, über ihre Eigenarten lachen. Die New Yorker wollen sich den Inuit überlegen fühlen. Sie füttern sie, fassen sie an und übertragen dabei Krankheiten, gegen die die Abwehrkräfte der Inuit nicht gefeit sind. Innerhalb weniger Wochen sterben Miniks Vater und alle seine Verwandten. Nur der Junge überlebt, seine Rettung - und zugleich sein Verhängnis.
Minik wird in die Familie von William Wallace, eines leitenden Museumsmitarbeiters, aufgenommen. Als Teenager kehrt er ins Museum zurück und findet dort seinen Vater wieder. Als Skelett im Schaukasten. Dem Kind Minik hatte man gesagt, dass seine Verwandten im Garten des Museums begraben worden seien. Der Jugendliche Minik entdeckt den Verrat. Als Erwachsener geht er zurück in seine Heimat, die er nur noch aus Erinnerungen kennt. Mittlerweile ist er auch dort ein Fremder. Er beherrscht die Sprache nicht mehr, er kennt die Lebensgewohnheiten nicht. Er sehnt sich zurück nach den Wolkenkratzern, den Hochhausschluchten. Nach sieben Jahren in Grönland lässt er sich nach New York zurückbringen. 1918 stirbt er als Waldarbeiter in New Hampshire an der Spanischen Grippe.
Sein Schicksal wird erst viele Jahre später, Ende der 1980er Jahre, durch den Kanadier Ken Harper entdeckt und publik gemacht. Das American Museum of Natural History führte die Gebeine von Miniks Verwandten zurück nach Grönland, wo sie 1993 begraben wurden.
Das Nationaltheater Grönland bringt den Stoff nun als einstündiges Theaterstück, das 2014 in Grönland uraufgeführt wurde, auf die Trierer Studiobühne - in englischer Sprache, inszeniert von Tormod Carlson. Premiere ist am Donnerstag, 26. November. Karten gibt es an der Theaterkasse unter 0651/7181818. sbraExtra

Miké Thomsen, einer der vier Darsteller in "Minik" (TV-Foto: Archiv/F. Vetter). Worum geht es in "Minik"? Um ein persönliches Schicksal oder um das eines Volkes, das um seine Freiheit kämpft? Miké Thomsen: Es ist beides. Aber sicher es geht um eine Person, die darum kämpft, akzeptiert und respektiert zu werden für das, was sie ist: ein Mensch mit einem anderen kulturellen Hintergrund und anderer Mentalität. Das Stück zeigt gleichzeitig, wie die westliche Welt eingeborene Völker überall auf der Welt behandelt. Für Minik liegt der Kampf darin, sich einer Gesellschaft anpassen zu müssen, die einen großen Teil ihrer Wertschätzung an materielle Dinge bindet. Wir können uns vorstellen, wie es für ihn gewesen sein muss. Er ist in einer Kultur aufgewachsen, in der Menschen auf das Jagen und miteinander Teilen angewiesen waren, um zu überleben. In einer Gegend, in der Geld nicht existierte. Wie können Sie sich als moderner Mensch in Miniks Lage hineinversetzen? Thomsen: Solche Situationen treten überall auf, zu jeder Zeit. Aktuell wird die Situation der Flüchtlinge diskutiert. Aber natürlich anders als 1897. Damals gab es diese Minderheit, die gegen ein riesiges Monster kämpfte, das sich nicht für Menschen interessierte, die unterhalb seines "Niveaus" standen. Was lernen wir von dem Stück? Thomsen: Behandele jeden umsichtig und mit Respekt. Außerdem ist es sehr wichtig zu wissen, dass man nicht alles für sich beanspruchen kann, was man auf dem Weg findet. Robert Peary war ein Entdecker, er wollte der Erste sein, der den Nordpol erreicht. Von seinen Expeditionen hat er eine Menge Dinge mitgebracht, darunter Jagdwerkzeug, inuitischen Schmuck und Amulette. Aber er hat auch Knochen aus den Gräbern geraubt. sbra

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