Vor 30 Jahren noch exkommuniziert

TRIER. Premierenabend im Zeichen des Abschieds: Für Intendant Lukas-Kindermann, die Hälfte des Schauspielensembles und die komplette Dramaturgie war "Lysistrata" die letzte Trierer Produktion. Ein bisschen Wehmut prägte die Stimmung jenseits des künstlerischen Hauptereignisses.

Zwei Fragen beherrschten schon lange vor der ersten Szene den Publikumsaufmarsch in den Kaiserthermen: Geht der Intendant tatsächlich in die Luft? Und ist die Inszenierung wirklich so freizügig, wie es die brodelnde Gerüchteküche verhieß? Am Ende waren alle klüger: Weder noch. Der Intendant blieb mangels Thermik am Boden, dafür reckte sich auf der Bühne weit mehr in die Höhe, als selbst die gewohnt gut Informierten im Vorfeld prognostiziert hatten. "Dafür wäre vor dreißig Jahren in Trier noch jemand exkommuniziert worden", merkte ein sichtlich vergnügter, aber anonym bleiben wollender Polit-Promi augenzwinkernd bei der Premierenparty an. OB Schröer schien erleichtert, dass er - im Gegensatz zu früheren Gelegenheiten - den Bischof nicht als persönlichen Gast zur Premiere eingeladen hatte. Dafür amüsierten sich die herzlich begrüßte frühere Kulturministerin Rose Götte und der Luxemburger Minister Fernand Boden ebenso wie Überraschungsgast Anja Silja über eine Aufführung, die für Kinder und Jugendliche nur im fortgeschrittenen Stadium der Aufklärung empfohlen werden kann. Mancher verglich insgeheim die wilden Ehekriege auf der Bühne mit heimischen Erfahrungen - und kam zu beruhigenden Ergebnissen. "Ein Glück, dass bei uns zu Hause alles in Ordnung ist", grinste ADD-Präsident Josef Peter Mertes und erntete lebhafte Zustimmung bei seinem alten Widersacher aus Kreistags-Zeiten, Landrat Richard Groß. Die gewohnte Nachbesprechung der Premiere im Festspielzelt krankte bisweilen an der verzweifelten Suche nach gesellschaftsfähigen Begriffen für bestimmte Details des soeben Gesehenen. Auf der Tribüne hatte das nächtliche Dunkel die roten Ohren des einen oder der anderen noch gnädig verdeckt, an der gedeckten Tafel galt es Farbe zu bekennen. Dass die gelegentlichen antiken Sauigeleien Publikum und Akteuren gleichermaßen Spaß gemacht hatten, war allenthalben spürbar. Dennoch fehlte der Premierenfeier die rechte Ausgelassenheit. Intendant Lukas-Kindermann, der übrigens in Trier wohnen bleiben wird ("Ich habe gar keine Zeit für einen Umzug"), vermied bei seiner letzten Ansprache zwar jeden Hinweis auf den bevorstehenden Abschied, aber beim Blick auf den Schauspieler-Stammtisch kam doch etwas Beklommenheit auf.Abschied für Schauspieler und Dramaturgen

Dabei konnte Schauspiel-Chef KD Köhler durchaus mit Stolz vermelden, dass seine Truppe andernorts ziemlich begehrt ist. Nadine Kettler (Baden-Baden), Reinhard Bock (Ulm), Eva Steines (Memmingen), Markus Angenvorth (Koblenz) haben feste Engagements gefunden, Pia Röver und Raimund Wissing werden in Luxemburg und Berlin spielen. Köhler selbst verlegt seinen Wohnsitz nach Wiesbaden und arbeitet als freier Regisseur. Auch für das Dramaturgie-Team hinter den Kulissen heißt es Abschied nehmen. Pressereferentin Lydia Oermann geht nach Luxemburg, Musikdramaturg Thomas Rath will dem Theater treu bleiben - wo, steht noch nicht fest. Regie-Assistent Florian Burg inszeniert in Trier und Kaiserslautern. Am Ende einer langen Premieren-Nacht waren die Akteure fast unter sich. Angelika Milster, im Gegensatz zur Vorstellung hellblond gelockt, herzte sich durch die Reihen der Kolleg(inn)en. Es war schon weit nach Mitternacht, da griffen Florian Burg und Raimund Wissing zur Klampfe und intonierten ein Lied über die Probleme der deutschen Männer, einen passenden Ausdruck für ihr "bestes Stück" zu finden. Eigentlich der ideale musikalische Kommentar zum Thema des Abends.

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