Wahrhaftigkeit statt Klischees

Wenn demnächst am Trierer Theater der Vorhang für das Musical "Anatevka" hochgeht, dann rückt das neue Ensemble-Mitglied Pawel Czekala in der Hauptrolle des Milchmanns Tevje zum ersten Mal so richtig in den Mittelpunkt.

 Aura von Gelassenheit: Pawel Czekala in der Anatevka-Probenpause am Brunnen vor dem Theater. TV-Foto: Dieter Lintz

Aura von Gelassenheit: Pawel Czekala in der Anatevka-Probenpause am Brunnen vor dem Theater. TV-Foto: Dieter Lintz

Trier. Nein, zu den Wandervögeln in der Opern-Branche gehört Pawel Czekala ganz sicher nicht. Ein Jahrzehnt sang der gebürtige Pole im Ensemble des Nationaltheaters Mannheim, dann spielte er sieben Jahre am renommierten Münchner Gärtnerplatz. Als dort die Intendanz und ein Großteil des künstlerischen Personals wechselten, sah er sich nach einem neuen Job um - und wurde in Trier fündig. Im letzten Jahr hatte er, noch als Gast, Gelegenheit, sein neues Haus kennenzulernen, mit Wagners "Walküre" und Rameaus "Dardanus". Ein Helden-Drama und ein Barock-Schmankerl: Viel gegensätzlicher geht es kaum. Und jetzt Musical, mit "Anatevka", der rührenden Geschichte einer jüdischen Familie in einem russischen Dorf. Dann folgt mit Lucia di Lammermoor romantische Belcanto, und, wenn alles klar geht, als Zugabe noch der Zaccaria in "Nabucco" bei den Antikenfestspielen.

Fünf Rollen. Fünf grundverschiedene Fächer für den Bass. "Ich empfinde es als Glück, so viel Unterschiedliches machen zu können", sagt Czekala. "Echte Klasse-Partien" seien das, die Trier ihm gleich zum Start am neuen Haus bietet.

Man sieht ihm die Lust am Spielen an. Egal, ob große oder kleine Rollen - da sucht einer den Charakter der Figur. "Nie aus den Augen verlieren, was für eine Geschichte da erzählt wird", so lautet seine Vorgabe an sich selbst. "Wahrhaftigkeit statt Klischees" will er dem Publikum präsentieren.

Evergreen und Mühlstein: "Wenn ich einmal reich wär"



Das erfordert sorgfältige Arbeit, gerade bei einer arg klischeegefährdeten Figur wie dem Milchmann Tevje in "Anatevka", der seinen Evergreen "Wenn ich einmal reich wär" wie einen Mühlstein mit sich herumschleppt. Da ist eben nicht nur ein gutmütiger Papa und Ehemann, sondern, wie es Czekala formuliert, "ein hochemotionaler Mensch, und zwar in unterschiedliche Richtungen". Das herauszukitzeln, daran werkelt er intensiv mit Regisseur Peter Zeug. Und freut sich, "wenn eine Inszenierung mich richtig fordert". Da fühlt sich auch der Darsteller Pawel Czekala sichtlich wohl, der auf der Bühne eine grundsympathische Ausstrahlung verbreitet. Fast zu nett für einen Schlagetot wie den Hunding der letztjährigen "Walküre", dessen finstere Bedrohlichkeit nicht so recht zur freundlichen Körpersprache des Sängers passen wollte.

Sein grauer Haarschopf und die Aura von Gelassenheit sorgen dafür, dass er älter wirkt als die 44 Jahre, die in seinem Pass stehen. Dazu passt ein Hobby wie das Basteln von Hubschrauber-Modellen, die er gerne eigenhändig in die Luft bringt. Wenn darüber hinaus noch Freizeit bleibt, sucht der Vater zweier Töchter die Nähe der Natur - am liebsten zu Fuß.

Ob er beim Wandern auch über Traumrollen nachdenkt? "Ach, es gibt so viele schöne", lacht Pawel Czekala. Aber der Philipp aus Verdis "Don Carlos" ist ihm in seiner Karriere noch nie über den Weg gelaufen, das wäre schon mal was. Doch erstmal gilt die ganze Konzentration "Anatevka". "Tolle Ensemble-Arbeit", schwärmt der Bass, und bezieht auch Gast-Star Dunja Rajter ein, "eine Super-Kollegin ohne Allüren".

Vielleicht ist das Musical ja wieder der Auftakt zu einer langjährigen Bindung, wie in München oder Mannheim, wo er heute noch gerne als Gast einspringt. Es sei "schön hier in Trier, und zwar nicht nur im Theater", sagt Pawel Czekala. Und es klingt nicht nach artigem Kompliment, sondern nach ehrlicher Meinung.

Theatercafe mit Dunja Rajter, Pawel Czekala, Dirigent und Regieteam: Sonntag, 2. November, 11.15 Uhr, Foyer.

Premiere: Samstag, 8. November. Nächste Termine: 11., 16. November, 3., 5., 13. Dezember.

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