Wahrheit und Wirion

TRIER. Gast beim 7. "Café Littéraire" im Palais Walderdorff in Trier war der luxemburgische Autor und Germanist Jacques Wirion. Im Mittelpunkt der Lesung standen Aphorismen und Auszüge aus Essays.

"Wirion" ist bretonischen Ursprungs und bedeutet Wahrheit. Aber mit der ist das ja so eine Sache. Für Jacques Wirion jedenfalls steht fest: "Wahrheit kann man nicht haben. Man kann nur an sie heran schleichen." Das sagte er gleich zu Beginn der Veranstaltung. Jacques Wirion hat sich bislang hauptsächlich, aber keineswegs ausschließlich mit Aphorismen einen Namen erschrieben. Er stellt sie meist in Zehnergruppen zusammen, wobei der zehnte möglichst immer ein Aphorismus über den Aphorismus ist. Diese hoch konzentrierte literarische Form ist für Wirion ein Beunruhigungsmittel. Etwa: "Bring möglichst wenig zur Sprache. Wer weiß, was sie daraus macht." Oder auch: "Das Glück, ein Zufall. Das Unglück, eine Notwendigkeit." Und schließlich: "Wer die Wahrheit liebt, dem wird die Liebe nicht leicht." Der Autor las alle Gruppen zweimal langsam vor, um dem Zuhörer zu helfen. Allerdings wehrt er sich mit Recht dagegen, diese Miniaturen zu erklären. Wirion gesteht seinem Leser oder Zuhörer zu, dass unterschiedliche Interpretationen in Ordnung sind. Aphorismus bedeutet Abgrenzung, Bestimmung, Definition, und auf solche Dinge sollte es kein Monopol geben. Man kann einem Aphorismus zustimmen oder auch nicht. In jedem Fall aber liefert ein gutes Beispiel immer einen Denkanstoß. Jacques Wirion ging dann zu längeren Texten über. Er begann mit einem Zeitungsartikel über den vermeintlichen Konflikt in seinem Heimatland zwischen der luxemburgischen und der deutschen Sprache. Aphorismen und Limericks

Es folgten Auszüge aus einigen Essays, die in dem im vergangenen Jahr bei C.H. Beck erschienenen Buch "Unglaubensgespräch" enthalten sind. Wirion brachte dieses Buch zusammen mit dem Mainzer Thomas-Mann-Biografen Hermann Kurzke heraus. Im Kern geht es um einen per postalische und elektronische Post geführten Diskurs "zwischen einem Atheisten (Wirion), der sich seiner Sache nicht ganz sicher ist, und einem nicht ganz gläubigen Christen (Kurzke)". Wobei die Frage, wie denn "nicht ganz gläubig" zu verstehen sei, Wirion vielleicht demnächst zu einem Aphorismus oder auch einem Limerick inspiriert. Denn mit einigen selbst verfassten Limericks beendete der Autor seine Lesung. Schade, denn die waren eher von der nicht ganz geglückten Sorte. Ein paar abschließende Aphorismen hätten die Veranstaltung abgerundet.

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