Warten auf Knut

KONZ. Nach dem großen Erfolg des Stückes "Klamms Krieg" schickt die "Jugend-Abteilung" des Trierer Theaters ein neues Stück auf die Reise durch die Schulklassen der Region. "Flasche leer" von Thilo Reffert behandelt in einem raffinierten Spiel auf mehreren Ebenen das Thema Alkoholismus – ohne belehrenden Unterton.

So einen merkwürdigen Schauspieler haben die Schüler der Klasse 9a am Gymnasium Konz noch nie kennen gelernt. Da kommt einer in ihre Klasse reingepoltert, fünf Minuten verspätet, und stellt sich als David Aschinger vom Theater Trier vor. Er soll das angekündigte Stück "Flasche leer" spielen, das von dem Berliner U-Bahn-Stationsansager Knut handelt, der zum Alkoholiker geworden ist. Das Stück will einfach nicht losgehen

Eine Flasche mit Whisky ist das einzige Requisit. Da sei "nur schwarzer Tee drin", versichert der Schauspieler, das sei "beim Theater immer so". Ob man es glauben kann? Er erzählt viel, vom Theater, von seinem Leben, von seiner Karriere. Nur das Stück will einfach nicht los- gehen. Aschinger leert die Flasche auch ohne Stück, und irgendwann merkt man ihm die Folgen an. Er wird fahrig, aufbrausend, kämpft mit den Worten. Irgendwann registriert das Publikum, dass es eigentlich gar nicht um Knut geht, sondern um Aschinger. Unversehens zieht Aschinger die Zuschauer mit in seine eigene Welt. "Ich spiel' das nur", sagt er ein übers andere Mal, oder: "Ich bin nicht der, der ein Problem hat". Aber stiekum kommt heraus, dass aus seinen großen Karriereplänen nichts geworden ist, dass er statt Hamlet und Faust immer nur Nebenrollen spielen durfte - und irgendwann auch die nicht mehr. Seine Frau hat ihn verlassen, er war zeitweilig obdachlos, bevor er am Trierer Theater Unterschlupf fand. Und das Alkoholproblem hat nicht nur Knut, das hat auch und vor allem David Aschinger. Aber wie allen Säufern ist ihm jede Ausrede, jeder abgelutschte Spruch recht, um zu verhindern, dass er die eigene Realität zur Kenntnis nehmen muss. Das ganze Rechtfertigungs-Repertoire fährt Autor Thilo Reffert auf: dass Trinken doch eine Form von Kultur sei, dass man jederzeit aufhören könne und den Alkohol im Grunde nicht brauche. Eigentlich trinke man auch gar nicht, jedenfalls nicht mehr als das, was selbst Ärzte als gesund einstufen würden. Da grinsen die 14-jährigen Schüler, als hätten sie all das schon mal gehört. Immer wieder versucht Aschinger, endlich mit dem Stück anzufangen, aber es gelingt nicht. Das Warten auf Knut endet wie das Warten auf Godot: ergebnislos. Am Ende, schon ziemlich betrunken, versucht er, die Schüler dazu zu überreden, den Dramaturginnen vom Theater, die gleich zur Diskussion mit der Klasse eintreffen, vorzuschwindeln, er habe das Stück tatsächlich gespielt. Die Damen kommen tatsächlich, und es dauert lange, bis sich die Verwirrung legt. Natürlich ist David Aschinger nicht David Aschinger, sondern der furios aufspielende Klaus-Michael Nix. Und eine größere Anerkennung als die spür- und hörbare Erleichterung der Schüler, als das (erahnte?) "Spiel im Spiel" offiziell aufgeklärt wird, kann sich ein Schauspieler nicht wünschen. Florian Burg hat dieses raffinierte Stück packend in Szene gesetzt. Es fordert theater-unerfahrene Schüler allerdings weit mehr als der weniger doppelbödige "Klamms Krieg". Seine - keineswegs missionarisch vorgetragene - Botschaft, sich in Sachen Alkohol der Realität zu stellen, dürfte beim Zielpublikum freilich ankommen. Das Stück ist übrigens auch für Erwachsene absolut sehenswert. Vorstellungen im Studio wären sehr zu wünschen.

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