Warum Kriemhild zur Terroristin wird

WORMS. Jasmin Tabatabei ist eine der profiliertesten Darstellerinnen des deutschen Films. Derzeit bereitet sie sich auf eine besondere Bühnenrolle vor: Bei den Wormser Nibelungen-Festspielen ist sie die neue Kriemhild.

Sie sind im Iran geboren und haben einen iranischen Nachnamen. Sprechen wir den richtig aus? Tabatabai: Nicht ganz! Ich heiße ,Joosamine Tabotaboii'. So klingt es im Persischen, weil es dort zwei verschieden klingende ,A's gibt. Aber die eingedeutschte Version ,Tabatabai' ist völlig in Ordnung. Ihre Biografie reicht für zwei Leben..? Tabatabai: Ich weiß nicht. Gut, ich bin im Iran aufgewachsen und mit zwölf Jahren nach München gekommen - aber ich will mein Leben nicht als Flüchtlingsdrama sehen. Meine Mutter ist Deutsche, ich hatte zwei Pässe, bin zweisprachig aufgewachsen... Für mich war die Tatsache, dass ich mit zwölf Jahren umziehen und mir einen neuen Freundeskreis suchen musste, schwer. Aber das wäre auch so gewesen, wenn wir von Hamburg nach München gezogen wären. Sie vereinen zwei Kulturen - hemmt oder fördert Sie das? Tabatabai: Ich habe meine Bikulturalität immer als Bereicherung gesehen. Der Iran ist das Land meiner Kindheit, Deutschland ist das Land meines restlichen Lebens. Beides ist meine Heimat. Natürlich habe ich Charakterzüge, die daher kommen, dass ich einen iranischen Vater habe. Zum Beispiel?Tabatabai: Ich habe genau das neulich einen Freund von mir gefragt, der mich immer neckte, dass ich eine typische Iranerin sei. Er meinte: ,Du hast so einen ausgeprägten Stolz.' Ich hoffe nicht, dass das in Richtung Arroganz geht - die Iraner haben eine große Liebe zum eigenen Land. Ich habe mir - wie viele andere Deutsche mit ausländischem Hintergrund - immer gewünscht, dass die Deutschen endlich entdecken, wie schön ihr Land ist. Und dass es nichts Nationalistisches sein muss, wenn man gerne Deutscher ist. Lieben Sie Ihr Land angesichts der aktuellen Entwicklung immer noch? Tabatabai: Ich war schon lange nicht mehr da, habe aber noch sehr viele Verwandte und Freunde dort. Eins weiß ich: Die Regierung, die gerade an der Macht ist, repräsentiert nicht das Volk. Das gerät leider manchmal in Vergessenheit. Der Iran ist ein Land mit einer sehr alten Kultur und Tradition, und die Aussagen, die der heutige Präsident macht, stehen nicht für das iranische Volk. Es ist ein wunderbares Land mit tollen Menschen. Schauen Sie sich die Exil-Iraner an: Kaum einer, vor allem die Frauen, entspricht dem Bild, das die Mullahs propagieren. Sie haben mit großartigen Regisseuren gearbeitet. Tabatabai: Oh ja, Helmut Dietl etwa. Ich liebe seine Art zu inszenieren. Er gehört zu den Regisseuren, die eine sehr genaue Vorstellung von dem haben, was sie wollen. Bei einem Dietl-Film stellt man sich nicht hin und improvisiert seinen Text, den man schlecht gelernt hat... Und jetzt Dieter Wedel und die Nibelungen in Worms. Und da gibt es eine schwarzhaarige Kriemhild? Tabatabai: Das war für mich sehr überraschend, dass er mir nicht die Brünhild, sondern die Kriemhild angeboten hat. Darauf muss man kommen, diese Rolle so gegen den Typ zu besetzen. Wie legen Sie die Rolle an? Tabatabai: Wir spielen nur bis Siegfrieds Tod, Kriemhilds Rache folgt nächstes Jahr. Bei uns ist Kriemhild kein naives Blondchen, das aus Versehen Hagen verrät, wo Siegfried verletzbar ist. Sie ist verzweifelt und möchte den erstarrten Hof, in dem sie aufgewachsen ist, am liebsten niederreißen und eine neue Welt formen. Sie erinnert mich an eine Tochter aus gutem Hause, die mit der RAF sympathisiert. Wir haben uns von Ulrike Meinhof inspirieren lassen, wie sie zunächst idealistisch und klug war, dann verhärmte und auf Irrwege geriet. Eine Herausforderung! Nibelungenfestspiele vom 11. bis 26. August, Karten: 01805/33 71 71. j Das Gespräch führte unser Mitarbeiter Michael Defrancesco

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