Warum das Gute besser als das Beste ist

SAARBRÜCKEN. (cs) Früher war sie ein Neonbaby, heute ist sie, na ja: eine Kerzenfrau. Jedenfalls manchmal. Wenn man Lieder hört wie "Ich denk an dich", wo einen überhaupt nicht stört, dass es so eingängig ist. So total ohrenträufelig.

Manchmal singt Inga Humpe,53 soll sie sein, unmöglich, so außerirdisch, dass man sie sich vorstellt als blonden Engel von Wim Wenders. Eine Liebesastronautin, schwerelos und weit, weit weg. Mit Kerze in der Hand. Humpe? Ihre Schwester Anette war eine der großen NDW-Frauen: Neue Deutsche Welle. Ja, ist lange her. Mit ihrer schrammelnden Band "Ideal" sang auch Anette damals Ohrenträufeliges: Etwa "Blaue Augen", was wir damals in einem Leichenwagen am französischen Atlantik hörten, mitgenommen von einem Paar. Fenster auf, Wind im Haar, Anlage hochgedreht. Klar, bei dem Song: "Deine blauen Augen machen mich so sentimental/ wenn ich dich so anschau‘/ ist mir alles andere total egal." Das war Anette. Inga war damals eines der Neonbabies. Jetzt ist sie seit ein paar Jahren das eine Zimmer von "2raumwohnung". Das andere ist Tommi Eckart. Zwei, die zusammen sind, zusammen wohnen, zusammen Musik machen. Ganz gern mit Anti-Depressionstexten. Lieder, die - wie Inga Humpe das mal gesagt hat - "was sehr Postulatisches haben, so was Ansprachemäßiges". Nicht wie auf Kirchentagen. Sondern eher wie Badewannengedankenschaum. Und dazu ein ziemlich lässiger Sound. Gute Déja-vu-Rhythmen. Es sind ihre Texte und seine elektropoppigen Noten. In "Wir sind die anderen (Frühling 2007)" gibt es eine Zeile, die geht so: "Wir sagen nicht mehr ich/ denn ich ist gar nicht wahr/ wir sagen nur noch wir/ unsere grenzen sind klar." Wer man eigentlich ist, weiß man nicht. Man weiß nur, dass man anders ist als die anderen. Aber das heißt schon was. Das Erstaunliche an "2raumwohnung" ist, dass Humpe und Eckarts Songs viel, viel Jetztzeit-Lebensgefühl im Gesicht steht, obwohl sie keinen Melancholiker-Lidschatten auftragen und Null-Krisen-Outfit. "2raumwohnung" ziehen nicht runter, sondern hoch. "Es wird morgen" heißt ihre neue Platte, die sich sehr, sehr gut verkauft. Und deren Titel programmatisch ist. Morgen heißt Aufbruch. Es ist kein billiger Raus-aus-der-Krise-Aufbruch. "Das Gute ist besser als das Beste", singt Inga Humpe. In ihrer "2raumwohnung" wird aus halbvollen (!) Gläsern Wolhfühl--Musik getrunken. Gut so. Heute (Samstag, 20 Uhr, Congresshalle Saarbrücken) spielen "2raumwohnung" bei der SR1-Elektropopnacht. Außerdem dabei: Mia, Quarks, Von Spar, Casa Electro Novo. Karten gibt's noch an der Abendkasse.

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