Weg von der Kirschblüten-Romantik

Puccinis Oper "Madame Butterfly" ist ein sicherer Kassen-Knüller in allen Theatern der Welt. Die rührende Geschichte der verlassenen Japanerin, die sich das Leben nimmt, gilt als Paraderolle für Sopranistinnen. Für die Trierer Produktion suchen Hauptdarstellerin Vera Wenkert und Regisseur Bisser Schinew nach Wegen jenseits des Klischees.

Trier. (DiL) "Ich hasse Kitsch". Vera Wenkert sagt es mit aller Entschiedenheit. So, als wolle sie die Gefahr verscheuchen, die bei Puccinis Schmacht-Oper stets um die Ecke lugt. "Weg von der Kirschblütenromantik", lautet ihre Devise, und Regisseur Bisser Schinew sieht es ebenso: "Wir zeigen keine Stereotypen, sondern Menschen, bei denen es innerlich kocht". Die Sängerin mit der mächtigen Stimme wirkt nach drei Stunden Probe abgekämpft. Es sei "total anstrengend, wenn man statt Klischees super-echte Gefühle zeigen will", erzählt sie. Tenor Svetislav Stojanovic nickt zustimmend. Er singt den amerikanischen Leutnant Pinkerton, der die junge Geisha Cio-Cio-San mit folkloristischem Ritual heiratet, sie aber später samt gemeinsamem Kind zugunsten einer "echten" Ehefrau in der US-Heimat sitzen lässt.Nicht unbedingt ein Sympathieträger, jedenfalls in den meisten Inszenierungen. Aber Stojanovic, der zum ersten Mal in Trier gastiert, hat es mit seinem jugendlichen Charme hinter den Kulissen gleich zum Liebling des Hauses gebracht. "Mit ihm Liebesszenen zu spielen, fällt überhaupt nicht schwer", lacht Wenkert. Und auch die Kollegen sind des Lobes voll. Da passt es gut, dass Regisseur Schinew Stojanovics Rolle ohnehin anders deutet als die meisten seiner Kollegen. Sein Pinkerton wird kein unsensibler Yankee-Imperialist, sondern ein Seemann mit echten Gefühlen. Schinew, dessen Interpretation des Revolutions-Dramas "Andrea Chenier" ein Glanzlicht der letzten Opern-Saison war, sieht die "Butterfly" nicht als politisches Stück, sondern als Gesellschaftsdrama.Auch da liegt er mit seiner Titel-Heldin auf einer Linie. "Schauen sie mal, wie liebevoll und umsichtig die Butterfly als Mutter agiert", schwärmt Vera Wenkert, "das ist kein naives Mädchen, sondern eine Frau, die versucht, ihr Schicksal in die Hand zu nehmen".Es gibt kaum eine Rolle, die derart im Mittelpunkt einer Oper steht wie die Cio-Cio-San. "Es ist eigentlich ein Ein-Personen-Stück", sagt die Sängerin. Und damit "einerseits eine Partie, von der man träumt, andererseits aber auch eine extreme Beanspruchung". Manchmal ist das mit dem Träumen sogar wörtlich gemeint. Dieser Tage sei sie im Traum in der eigenen Kindheit gelandet, bei ihrer Mutter, die eine ganze Schar von Kindern aufzog. "Das nimmt man dann wieder mit auf die Bühne".Wenkerts schonungslose Konsequenz, sich an eine Rolle auszuliefern, hat dem Trierer Publikum schon manch besonderes Ereignis beschert. Seit sieben Jahren gehört sie zum Ensemble, niemand hat annähernd so viele Hauptrollen gesungen. Mit der "Butterfly" und der bei den Antikenfestspielen anstehenden "Abigaille" in "Nabucco" stößt sie die Tür ins italienische Repertoire weit auf. Wenn das funktioniert, wird es wohl nicht mehr lange dauern, bis Trier diese Sängerin mit anderen Häusern teilen muss. Premiere am 23. Februar, nächste Vorstellungen am 5., 11., 15. und 24. März.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort