Weiberbrut, Männerpack

TRIER. Als unbeschwert-harmloses Lustspiel kommt Mozarts Oper "Così fan tutte" in der neuen Trierer Produktion daher. Dabei glänzt vor allem das Ensemble.

 Verzaubernde Duette: Andrea Johansson (l.) und Eva-Maria Günsch-mann.Foto: Christophe Olinger

Verzaubernde Duette: Andrea Johansson (l.) und Eva-Maria Günsch-mann.Foto: Christophe Olinger

"Così fan tutte" ist ein tückisches Stück Musiktheater. Tückisch deshalb, weil die Musik so spielerisch leicht wirkt wie mit dem Schneebesen geschlagen - und in Wirklichkeit ausgesprochen vertrackt, anspruchsvoll und kompliziert ist. Mozart hat nur sechs Solisten vorgesehen, aber die singen nur im Ausnahmefall allein. Duette, Terzette, Ensembleszenen, darunter zwei große Sextette: Da braucht es ein fein abgestimmtes, traumwandlerisch funktionierendes Ensemble und eine musikalische Leitung, die alles fest im Griff hat. Das Trierer Ensemble hat beides zu bieten: sechs Protagonisten, die nicht nur vor Spielfreude platzen, sondern auch aufs Erfreulichste gemeinsam musizieren, und mit Andreas Henning einen musikalischen Leiter, der nach anfänglicher Nervosität ein spannungsgeladenes, zupackendes Dirigat hinlegt und Orchester (Cembalo: Gian Cao) wie Solisten und Chor zu einer kollektiven Höchstleistung führt. Wenn sich bei "Così fan tutte" einzelne Sänger als Stars profilieren wollen, ist die Chance auf eine gute Aufführung schon vertan. In Trier ordnen sich alle unter, keiner kämpft den anderen nieder. Und wenn mal jemand aus dem Takt gerät, was sich bei den heiklen Ensemble-Szenen und Duetten kaum vermeiden lässt, findet man gemeinsam den Weg zurück. Die schwierigste Aufgabe hat fraglos Annette Johansson als Fiordiligi zu bewältigen. Bei der letzten Trierer Aufführung hatte man die schwere Partie noch der dramatischen Sopranistin - damals Karin Clarke - vorbehalten, diesmal vertraut man sie der stimmlich leichteren lyrischen Sopranistin des Hauses an. Zu Recht, wie die vorzüglich bewältigten dramatischen Ausbrüche und die mutigen Piani beweisen. Dass es sich (noch) um eine musikalische Gratwanderung handelt, hört man bei den unverschämt tiefen Tönen, die Mozart dieser Rolle abverlangt. Thomas Kießling spielt und singt einen gelungenen Ferrando, mit überzeugender Mittellage und sicherer, allerdings mit viel Druck erzeugter und deshalb etwas angestrengt wirkender Höhe. Eine Klasse für sich ist die Dorabella von Eva-Maria Günschmann, deren Duette mit Johansson regelrecht verzaubern. In hervorragender Form auch Andreas Scheel (Guglielmo), den man sich immer so kraftvoll und ausdrucksstark wünscht. Ein Souverän: Laszlo Lukacs als Don Alfonso. Geradezu luxuriös besetzt: Evelyn Czeslas tänzelnde, agile Despina. Was für die Così-Musik gilt, kann man auch über die Handlung sagen: Es steckt wesentlich mehr drin, als man auf den ersten Blick sieht. Die Geschichte von den beiden Soldaten, die, angestachelt durch eine Wette mit dem alten Zyniker Don Alfonso, die wechselseitigen Verlobten inkognito auf die Liebesprobe stellen und dabei furchtbar auf die Nase fallen, lotet die Tiefen menschlicher Psyche aus. Treue und Verrat der Frauen, die Rivalität der Männer, der Hass Alfonsos auf die "Weiberbrut", die Verachtung des Stubenmädchens Despina für das "Männerpack": Die Komödie spielt am Abgrund menschlicher Beziehungen, und Mozart hat das brillant herausgearbeitet. Leider sieht man von alledem in der Trierer Inszenierung von Ernö Weil nicht das Geringste. Die Mädels sind naiv, die Jungs erst fröhlich, dann wütend, Alfonso ist ein skurriler alter Herr und Despina nett, aber geldgierig. Manchmal wirkt das Ganze geradezu operettig. Schade um die verpasste Chance.Raum fürs komische Talent der Sänger

Findet man sich allerdings damit ab, dass Mozart inszeniert wird, als wär's bestenfalls Rossini, dann hat die Produktion auch ihre Stärken. Die Geschichte wird transparent und nachvollziehbar erzählt, was sie übrigens sehr empfehlenswert erscheinen lässt als Operneinstieg für Kinder. Die routinierte Spielleitung schafft Raum für das komische Talent der Sänger, ohne sie szenisch übermäßig zu fordern. Die Szenenwechsel gehen zügig vonstatten, dank geschickter Striche bleibt das Werk deutlich unter der Drei-Stunden-Grenze. Das Bühnenbild von Dieter Stegmann und die Kostüme von Ulla Röhrs lassen die Armut des Trierer Hauses erahnen, finden aber dennoch gute, einfache Lösungen für die szenischen Anforderungen. Alles in allem: ein netter Theater-Abend. Das Stück gibt fraglos mehr her. Aber nach dem anstrengenden "Fidelio" und der anstehenden Urauführung darf's auch mal was Leichtes sein. Die nächsten Aufführungen: 31. Januar, 3., 11., 20. u. 27. Februar; Karten: 0651/718-1818.

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