Weihnachten kann kommen - Guildo war da

Trier · Partystimmung statt Besinnlichkeit: Wenn Guildo Horn mit seinen Orthopädischen Strümpfen einen Tag vor Heiligabend die Europahalle zum Rocken bringt, fliegt das Lametta vom Tannenbaum. Und statt Glühwein fließt das Bier in Strömen.

 TV-Foto: Klaus Kimmling

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Rentiergeweihe auf dem Kopf, blinkende Leuchtgirlanden um den Hals, jede Menge rot-grüne Zipfelmützen und ein Weihnachtsmannanzug in Festtagsrot mit unzähligen Santakläusen von den Schultern bis zu den Schuhen: Wenn sich das Publikum dermaßen ausstaffiert in die Öffentlichkeit traut, kann es dafür nur einen Grund geben - Guildo is back! Zurück zum alljährlichen Weihnachtskonzert, zurück in der Europahalle, in der sich rund 2000 Besucher drängeln. Es ist die 21. Ausgabe der Vorbescherung, die Guildo Horn mit seinen Orthopädischen Strümpfen für seine Fans vorbereitet hat, und die sind zu allem entschlossen, vor allem dazu, sich wie Bolle zu amüsieren.

Der Mann hat seine Leute, wozu auch die Massen vor der Bühne gehören, voll im Griff. Zaghafte Buhrufe, weil die geplante Bescherung sich um eine Viertelstunde verzögert, ersaufen in johlendem Applaus, als der Vorhang beiseite geht (kaum ein Vorhang geht schließlich heute noch "hoch") und der Meister die Bretter betritt, musikalisch wie immer perfekt gestützt von den Orthopädischen Strümpfen (Pruntz Phillip Kegelmann, Gitarre; der ewige Strull, Bass; Addi Mollig; Keyboard, und Kikki Pfeiffer, Drums), die im Laufe des Abends immer mehr zum Teil der Show ihres Frontmanns werden.

Der tritt einmal mehr den Beweis an, dass jeder Song und jeder Schlager im Grunde ein Weihnachtslied ist, wenn man nur den richtigen Text darunterlegt. So wird Abbas "Chiquitita" wahlweise zum "Dicken Dieter" (erste Strophe), der in den Trierer Straßen Maronen verkauft, oder zur "Dicken Rita" (zweite Strophe), die das Gleiche mit Reibekuchen macht. "Live And Let Die", "In The Ghetto" oder "Stairway To Heaven" werden ebenso festlich herausgeputzt wie "Die Wanne ist voll”, pardon, "You're the one that I want" von John Travolta und Olivia Newton-John. Und selbst die Schwulenhymne "YMCA" der "Village People" wird heteromäßig umgemodelt, um vorm Tannenbaum bestehen zu können.

Und über allem schwebt der Meister, mal als Flaneur unterm leuchtenden Regenschirm, mal als Cherubim mit flauschigen Flügeln, mal als Steckenpferdreiter, der seiner Jugendliebe zu einem Pony auf einer Weide in Aach nachtrauert. Hier wird jeglicher Kitsch mit Lust zertrümmert, und ebenso kitschfrei gelingen ihm die wirklichen Weihnachtslieder wie "Alle Jahre wieder" oder "Leise rieselt der Schnee", bei denen er sich wahlweise auf der Gitarre oder am Schlagzeug begleitet. Übrigens: Es dauert gerade einmal vier Lieder, und der Barde steht busenblank auf der Bühne und lässt dem Schweiß freien Lauf.

In der Halle ist es inzwischen auch so heiß geworden, dass das Publikum Wachs in seinen Händen wird: Es hebt die Hände zum Himmel, legt die Fingerspitzen über dem Kopf aneinander - jeder Besucher ein Tannenbaum! - und hockt sich sogar auf den Boden, wenn der Sänger es verlangt. Nur hinlegen wollen sie sich lieber doch nicht, um den dann vermutlich drohenden Erstickungstod zu vermeiden.

Statt einer Pause gibt es ein Gastspiel von "Fools Garden", dem One-Hit-Wonder aus Pforzheim, das seinen "Lemon Tree" von 1995 auf die Bühne stellt und damit Guildo Horn die Möglichkeit gibt, sich fürs Finale umzuziehen. Das bestreitet er in tannenbaumgrünem Anzug, wobei er seine Zuhörer mit weit ausgebreiteten Armen auf die Begegnung mit dem Christkind einschwört ("bis hierhin konnte ich mit euch gehen, den Rest des Wegs müsst ihr allein beschreiten"). Zum Schluss will er noch wissen, ob alle im nächsten Jahr wiederkommen werden, um mit ihm auf die Weihnachtspauke 2017 zu hauen.
Wir verraten die Antwort nicht. Ein bisschen Spannung fürs kommende Jahr kann schließlich nicht schaden. no

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