Weitsprung zu Bach

Die Konzerte in der Philharmonie haben gezeigt, dass das Ensemble "United Instruments of Lucilin" mehr ist als eine zudem elitäre innerluxemburgische Angelegenheit. Jetzt hat sich das Ensemble mit der CD "Goldberg‘s Ghost" an einem kühnen Weitsprung zu Johann Sebastian Bach versucht.

 Junge Luxemburger gründen die „United Instruments of Lucilin“. Foto: Philharmonie

Junge Luxemburger gründen die „United Instruments of Lucilin“. Foto: Philharmonie

Luxemburg. Wer außerhalb des Großherzogtums kannte schon die "United Instruments of Lucilin"? Der englisch-lateinische Titel (Lucilin ist die latinisierte Version von Luxemburg) klingt ja nicht gerade anheimelnd, sondern eher elitär. Aber der Auftritt des Ensembles zur Eröffnung der Philharmonie entwickelte sich zur wirkungsvollen großregionalen Profilpflege. Die jungen Musiker, die gemeinsam mit dem "Klangforum Wien" unter dem viel versprechenden Titel "Im Garten der Klänge" das Podium betraten, erwiesen sich als technisch außerordentlich kompetent und waren zudem von einem Ausdruckswillen beseelt, der auch der spröden Moderne Klang-Sinnlichkeit einhauchte. Und als das "Lucilin"-Ensemble im "Espace decouverte" einige Monate später einen Magnus-Lindberg-Abend gab, riss die Verbindung aus Sorgfalt und Expressivität die Hörer zu heller Begeisterung hin. Es waren die von Claude Lenners begründeten und mittlerweile von der Philharmonie übernommenen "rainy days", die den Anstoß zur Formierung von "Lucilin" gaben. 1999 entschlossen sich junge Luxemburger, die wie alle profilierten Musiker ihres Landes profunde Studienerfahrungen im Ausland mitbrachten, ein Ensemble für zeitgenössische Kammermusik zu gründen. "Dieses erklärte Ziel verfolgt das Ensemble seither ohne Kompromisse", heißt es in einem Informationstext. Unter der künstlerischen Leitung des Schlagzeugers Guy Frisch hat "Lucilin" seither die Interpretenszene der Neuen Musik entscheidend bereichert und erprobt auch Wege außerhalb des traditionellen Konzerts. So hatte in diesem Jahr das Kinderprojekt "Tulles und sein Schatten" für ein Instrumental-Septett und Pantomimen zur Musik von Martin Matalon Premiere. Musik soll sich auch in einem visuellen Rahmen entfalten können, und der hilft seinerseits, diese Musik zu verstehen.

Mit der CD "Goldberg's Ghost" wagt "Lucilin" jetzt einen riskanten Spagat zwischen Gegenwart und Geschichte. Basis des Projekts sind die "Aria" und die neun Kanons aus Bachs "Goldberg-Variationen". Fünf Komponisten, aus Irland, den Niederlanden, Frankreich und Luxemburg, haben Bachs Werk mit ihrer Musik ergänzt - nicht Paraphrasen und nicht Kommentare, sondern sorgfältige, oft vorsichtige Annäherungen. So setzt Garth Knox im 20. Satz auf der barocken Viola d‘amore die Virtuosität der 28. und 29. Originalvariation in einfallsreiche Improvisation um, und Brice Pauset reflektiert im 16. Stück das auftrumpfende "Alla Breve" der 22. Variation. Und wie wunderbar eindringlich gelingt es Marcel Reuter, mit "désert/forêt" (Wüste/Wald) die Verlassenheit in Bachs 25. Variation zu reflektieren! "Goldberg‘s Ghost", eine gehaltvolle, spannende Auseinandersetzung, ein Weitsprung über fast 270 Jahre Musikgeschichte.

J. S. Bach, Ton de Kruyf, Garth Knox, Brice Pauset, Marcel Reuter, Bernard Struber: "Goldberg's Ghost". Fuga libera FUG 533. www.fugalibera.com. Erhältlich in jedem CD-Laden.

United Instruments of Lucilin: André Pons-Valdès und Tomoko Kiba, Violine, Danielle Hennicot, Viola, Christophe Beau, Violoncello, Olivier Sliepen, Saxofon, Pascal Meyer, Klavier, Sophie Deshayes, Flöte, Marcel Lallemang, Klarinette, Guy Frisch, Schlagzeug und Leitung. www.lucilin.lu

Konzerte bis Ende 2008:

14. September, Amsterdam: "Tulle e les Ombres" von Martin Matalon.

2. Oktober, 20 Uhr Philharmonie Luxemburg: "Lucilin" und das Amstel Quartett mit Werken von Louis Andriessen, Jan Ter Veldhuis, Ton de Kruyf und Franco Donatoni

24. Oktober, 20 Uhr, Konservatorium Luxemburg: Steve Reich, Music for 18 Musicians

23. November, 20 Uhr, Konferenzzentrum Luxemburg, Auftritt im Rahmen der "rainy days", Werke von Marc Monnet

19. Dezember, Kirche St. Michael, Luxemburg, Projekt "Musiqe et Spiritualité". Musik von Gija Kancheli und Alexander Müllenbach (Uraufführung)

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