Weltflucht mit Elvis: Was die King-Imitatoren mit Donald Trump gemeinsam haben

Ocean City · Elvis lebt. Imitatoren des King des Rock 'n' Roll brauchen sich um ihre Zukunft keine Sorgen zu machen, das Geschäft boomt auch bei jungen Leuten. Es passt zu der Sehnsucht nach dem verklärten Amerika der 1950er und 60er Jahre und der Nostalgie, wie auch Donald Trump sie beschwört.

Weltflucht mit Elvis: Was die King-Imitatoren mit Donald Trump gemeinsam haben
Foto: UPI (g_kultur

Ocean City. Steve Mitchell trägt eine Perücke, pechschwarzes Haar, er trägt lange, breite Koteletten und einen Gürtel, auf dessen überbreiter Schnalle feine Goldfäden das Motiv einer am Himmel aufgehenden Feuerwerksrakete bilden. Sein grauer Overall ist mit blau schimmernden Lapislazuli-Steinen besetzt, die Hosen haben einen so breiten Schlag, dass man befürchten muss, er könnte jeden Moment über den Stoff stolpern.
Nach ein paar Minuten beginnt Mitchell zu schwitzen. Er steht im Scheinwerferlicht, zieht einen Seidenschal aus dem Kragen und wischt sich damit über Stirn und Hals. Wenn er gut durchnässt ist, hält er ihn dem Publikum entgegen, den Frauen, die bereits Schlange stehen vor der in Schummerlicht getauchten Bühne. Einer von ihnen legt der Sänger sein Tuch um den Hals, während sich die anderen gedulden müssen, bis das nächste, das er sich zwischen zwei Liedern reichen lässt, angemessen durchgeschwitzt ist. Steve Mitchell ist Elvis, der King des Rock 'n' Roll.

Elvis Presley, der am 16. August 1977 in Memphis mit einem guten Dutzend unterschiedlicher Medikamente im Bauch starb, feiert in Ocean City, einer Betonwürfelstadt an der Atlantikküste Marylands, mit schöner Regelmäßigkeit Auferstehung. Ein Ballsaal in einem Dreisternehotel, an der Decke billige Kronleuchter, irgendwann macht ein Elvis-Imitator namens Jay Allan einen leicht sarkastischen Witz. "Ladies and Gentlemen, das Lied, das ich gleich singe, haben Sie heute bestimmt schon 55 Mal gehört. Egal, hier kommt die Nummer 56." Jeffrey Krick pflegt die Marotte, jeden Titel so anzusagen, als feiere er eine Weltpremiere: "Gestern hab ich den Song hier zu Ende gebracht, er heißt ‚Help Me'".
Steve Mitchell versucht in der Pause zwischen zwei Auftritten ein kleines Problem zu lösen. Ihm sind die Schals ausgegangen, er muss dringend neue auftreiben, um seine Fans nicht zu enttäuschen. Allan, Krick, Mitchell - sie alle verdienen ihr Geld, indem sie als Elvis-Nachahmer quer durch die Vereinigten Staaten reisen, von Brunswick in Georgia nach Lake George in New York, von Las Vegas nach Memphis. Nur dass sie es nicht gern hören, wenn man sie Nachahmer nennt. "Künstler zu Ehren von Elvis", das wäre korrekt.
Das Besondere dabei ist, dass es keineswegs nur die älteren Jahrgänge sind, die zu den Elvis-Festivals strömen. Susannah Thompson ist 28 und sagt: "Elvis war einfach gut, außerdem schloss er sich nicht ein im Elfenbeinturm seines Reichtums, er war einer von uns, nur wahnsinnig talentiert." Es gibt dünne Elvisse und dicke, "wir haben auch den 500-Pfund-Elvis zu bieten", ergänzt Mitchell und meint ein Schwergewicht namens Peter Vallee. "Tolle Stimme, der Mann hat genau das Timbre vom King." Dan Barrella, Künstlername DB King, beherrscht sie am besten, die Kunst, so mit den Knien zu wackeln, zu zittern, wie Elvis es tat. Und Mitchell betont, dass er sich nicht vorstellen kann, eine andere Sängerrolle zu spielen, immer nur Elvis. "Das ist wie mit den Honeymooners. Du guckst sie dir ein ums andere Mal an, ohne dass dir langweilig wird." Die Honeymooners sind eine Sitcom aus den 1950er Jahren, eine Serie über kleine Leute im großen New York, die sich irgendwie durchs Leben schlagen.
Mitchell wurde zum Elvis-Fan, als er 1973 im Alter von acht Jahren vorm Bildschirm saß und das Konzert "Aloha aus Hawaii" lief. Weil er gut singen kann und Elvis tatsächlich ähnlich sieht, schaffte er es, seinen Lebensunterhalt mit dem Kopieren des Superstars zu bestreiten. Ein bisschen nachhelfen, sagt er, dürfe man schon. Perücke tragen, die Koteletten schwarz färben, solche Sachen. Der Ballsaal in Ocean City ist besetzt bis auf den letzten Platz, und fragt man Mitchell nach den Gründen, klingt seine Antwort nach Nostalgie, nach der Sehnsucht nach den verklärten 1950er und 60er Jahren, wie auch Donald Trump sie beschwört, um bei frustrierten Wählern zu punkten. "Gute Zeiten. Auf den Straßen fuhren Cadillacs, Amerika hat Superman-Hefte gelesen und Menschen auf den Mond geschickt." Heute dagegen: Der ewige Ärger im Nahen Osten, die Angst vor dem IS, die ganze Welt ein einziges Chaos. Mit Elvis, sagt Mitchell, lasse sich das alles für eine Weile vergessen. Im Rampenlicht sagt Jeffrey Krick, der mit dem Weltpremierentick, derweil sein nächstes Lied an. "Das hier habe ich 1969 geschrieben. Es heißt ‚In The Ghetto'."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort