Weltschmerz, Wolken, Wohlbefinden

TRIER. Italiens derzeitiger Kult-Barde Eros Ramazzotti machte auf seiner Deutschland-Tour auch in Trier Station. Der Trierische Volksfreund präsentierte das Konzert, dem rund 6000 Fans in der Arena lauschten.

Es wär‘ so schön gewesen: una notte italiana, canzoni romantiche, un bicchiere di Prosecco, un venticello tiepido. Wurde aber nix. Es war mal wieder lausig kalt und nordisch nass. Kurzfristig verlagerte sich der Event Eros Ramazzotti von der Landesgartenschau in die Arena. Nicht nur wegen der frostigen Temperaturen, die erstaunlicherweise mal richtig vorhergesagt waren, sondern auch, sagte man, wegen der "Lightshow", die Signor Ramazzotti in Trier aufzeichnen wollte. Nun denn - statt lauer Lüfte eben Nikotinschwaden satt. Jedenfalls auf den oberen Rängen. "Parlo tedesco", begrüßte der Italiener seine rund 6000 Fans und gab auch gleich eine Kostprobe seines Könnens: "Alles okay?" Was, unter Zuhilfenahme zahlreicher Feuerzeuge und anderer pyrotechnischer Hilfsmittel sowie einer unermüdlich geschwenkten rot-weiß-grünen Flagge unten links im Saal seitens des Publikums begeistert bestätigt wurde. Nun war der Mann ja nicht zum Reden, son- dern zum Singen gekommen, und das tat er dann immerhin zwei Stunden lang mit vollem körperlichem und stimmlichem Einsatz, unterstützt von einer je nach Liedinhalt einfühlsam bis fetzig intonierenden Band und zwei schnuckeligen Backgroundsängerinnen, die hin und wieder auch mal in den Vordergrund durften. Mal ehrlich: Musikalisch sind die Songs ja nicht gerade der große Heuler; da dauert‘s schon eine Weile, ehe sich einer ins Ohr einnistet. Und dann ist es auch meist nicht das gesamte Lied, sondern höchstens ein knapp-taktiges Motiv, das länger hängenbleibt.Nun mag der Chanson- und Canzone-kundige Fan einwenden, bei romanischem Liedgut komme es ohnehin in erster Linie auf die Texte an (von denen man, nebenbei bemerkt, an diesem Abend allerdings auch nicht viel verstehen konnte). Die verstrahlen nun in der Tat jenen herb-süßen Weltschmerz, den man von einem Mann mit dem Namen eines Liebesgottes und eines Magenbitters erwarten darf. "Non ti prometto niente", "L‘uomo che guardava le nuvole", "Un emozione pe sempre": Das Meiste an diesem Abend stammte von seinem neuen Album "Nove", und wer sich in der Regenbogenpresse auskennt, der mochte wohl ein paar biographische Bezüge herstellenzu dem Mann, der den Wolken nachschaute, nichts (mehr) verspricht und auf ein Gefühl hofft, das ewig währt. Così è l‘amore e la vita, so ist das eben in der Liebe und im Leben: Vollrausch und Ernüchterung, Champagnerlaune und Katerstimmung. Und auf Italienisch klingt das alles natürlich noch mal so romantisch und schön, selbst wenn es tieftraurig ist. Was im Verlauf des Abends das ein oder andere Paar auf Tuchfühlung brachte, und so wurde auch zwischen Bierstand und Toilettentür getanzt, oder sagen wir mal: Es kam zu mehr oder weniger synchronen Bewegungen zwischen im Großen und Ganzen allein sich im Takt wiegenden Körpern.Telegrafenmasten, Einsamkeit und Seelenschmerz

Zahlreiche Herren waren übrigens auch zugegen; vielleicht bloß von ihren Herzensmädchen mitgeschleppt. Und manche Dame von spätsommerlicher Reife (der Mann ist eben ein Fall für viele Generationen) sah mit glänzenden Augen zur Bühne, wo Telegrafenmasten die Bilder auf der Leinwand - Straßen, Landschaften, Farbenräusche - ins Dreidimensionale überführten und irgendwie bedeutungsschwer von Einsamkeit und Verlassenheit kündeten. Doch was ist der Seelenschmerz gegen das schwedische Ausgleichstor, mit dem sich in der 85. Minute an jenem schicksalhaften EM-Abend Italiens Malaise drastisch verschlimmerte. Selbstredend wurde das Spiel für Fußball-Fan Ramazzotti auf einem seitlich der Bühne stehenden Bildschirm übertragen. Und trotz der Katastrophe ließ sich der Junge aus Cinecittà nichts anmerken. The show must go on, auf dem Rasen, auf der Bühne - und im Leben sowieso. Eros Ramazzotti hat sich beim Publikum auch mit seinem "Trier"-T-Shirt Symphatiepunkte verdient. Er hat es nach dem Konzert Oberbürgermeister Helmut Schröer geschenkt. Der will es für die Arbeitsgemeinschaft für Trierer Kinder versteigern. Ab Dienstag kann das Eros-T-Shirt unter www.intrinet.onetwosold.de ersteigert werden.

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