Weltstar Franz Grundheber besucht Unterricht seines alten Gymnasiums in Trier und lässt Erinnerungen aufleben

Trier · Zum 100. Geburtstag des Max-Planck-Gymnasiums (MPG) in Trier ist er wieder da: Weltstar Franz Grundheber kehrte für einen Vormittag an seine alte Schule zurück, um beim Unterricht zuzusehen. Als der Sänger dort vor 55 Jahren Abitur machte, sah die Welt von Lehrern und Schülern noch völlig anders aus.

 Wieder auf der Schulbank: Der Trierer Opernstar Franz Grundheber besucht den Unterricht von Simon Schneider und Jonathan Potthoff (rechts). TV-Foto: F. Vetter

Wieder auf der Schulbank: Der Trierer Opernstar Franz Grundheber besucht den Unterricht von Simon Schneider und Jonathan Potthoff (rechts). TV-Foto: F. Vetter

Trier. Franz Grundheber wundert sich. In den Gängen seiner alten Schule begegnen ihm fröhliche und lärmende Kinder. So unbeschwert hatte er seine Schulzeit nicht erlebt. Als Deutschlehrer Christian Schmidt ihn der 6 d vorstellt, grüßen die Jungen und Mädchen artig und arbeiten weiter an ihren Aufgaben. "Ist jetzt gar kein Unterricht?", fragt Grundheber etwas irritiert.
"Doch, doch. Das ist Stillarbeit. Gleich präsentieren die Schüler ihre Ergebnisse", beruhigt Lehrer Frank Feder, der den Sänger (siehe Extra) während des Vormittags begleitet. Grundheber staunt: "Es gab bei uns noch Lehrer, die haben uns in der dritten Person angesprochen: ‚Grundheber, hat er seine Hausaufgaben gemacht?\' Dabei mussten wir aufstehen." Als er nach der Stunde aus dem Klassenraum geht, lobt er: "Na, wenn wir so einen Lehrer gehabt hätten ..."
Der Leistungskurs Musik und Lehrer Antonius Dewes warten bereits gespannt. Kein Mann der großen Worte und Gesten, setzt sich Franz Grundheber in eine Schulbank und sagt schlicht: "Ich komme aus dem Dorf, aus Biewer. Da gab es noch Misthaufen vor der Tür. Wir wohnten zur Miete, doch meine Mutter wollte, dass ich aufs Gymnasium gehe. Zur klassischen Musik hatte ich damals keinen Bezug."
Und dann erzählt er. Von Zufällen, Glück und Chancen, die seine Karriere bestimmt haben. Aber auch von Entschlossenheit und Ehrgeiz, Mut und unbedingtem Willen, Durchhaltevermögen und Fleiß, die es braucht, um zu den besten Sängern seiner Generation zu gehören.
Die jungen Erwachsenen hören aufmerksam zu und fragen nach. Jan Eiden (19 Jahre) will wissen: "Sie haben mit vielen großen Dirigenten gearbeitet. Gab es da besonders prägende Erlebnisse?" Grundheber lächelt. "Mein prägendster Dirigent war Herbert von Karajan. Er hat mich mit Lohengrin und Tosca hochgeschossen. Ich habe ihn zwar erst am Ende seiner Karriere kennengelernt, aber er war ein toller Dirigent."
Das Stichwort für die 19-jährige Anne Kratz: "Wenn man so viele Rollen gesungen hat, welche davon singt man immer wieder gerne?" Grundheber überlegt nicht lange: "Die Rollen entwickeln sich. Etwa Rigoletto. Er benutzt seine Missbildung als Beruf. Er ist eine Fälschung. So eine Rolle anders zu interpretieren, anders zu phrasieren, das ist es. Was ich zu singen habe, ist Text, den ich interpretiere. Nur schöne Töne zu singen, darauf kommt es nicht an." Spontan stimmt er ein Strauss-Lied an - "Ja, du weißt es, teure Seele" - und schaut in die Runde: "Ich interpretiere die Struktur des Satzes. So arbeite ich an Liedern, und deshalb bin ich auch gut zu verstehen."
Eine Schulstunde hat 45 Minuten, damals wie heute. Die Musikschüler haben ihre Liste mit Fragen noch längst nicht abgearbeitet, doch Grundheber muss gehen. "Wer von euch will eigentlich Sänger werden?", fragt er zum Abschied in die Runde. Zögern. Einer vielleicht. Die Welt der Opernsänger liegt in weiter Ferne. "Wer etwas wirklich will, der schafft es auch", heißt Grundhebers Credo. Übrigens kein schlechtes Motto für die Schule.Extra

Franz Grundheber wurde am 27. September 1937 in Trier geboren. Seine Schulzeit verbrachte er am Max-Planck-Gymnasium, wo er 1959 sein Abitur ablegte. Anschließend verpflichtete er sich für drei Jahre bei der Bundeswehr. Er gewann ein Stipendium für die Indiana University in Bloomington (USA). Seine Gesangslehrerin, Margaret Har-shaw, legte dort den Grundstein zu seiner Karriere. 1966 verpflichtete ihn Rolf Liebermann an die Staatsoper Hamburg. Dort wurde er 1986 zum Hamburger Kammersänger ernannt, 2006 zum Ehrenmitglied des Hauses. Seine Karriere führte ihn an alle großen Opernhäuser der Welt, was nicht zuletzt an seinem breitgefächerten Repertoire liegt und der Fähigkeit, jeder Rolle ihren eigenen Charakter zu verleihen: Er singt Belcanto-Partien ebenso wie dramatische Rollen und liebt Opern moderner Komponisten. Heute lebt er mit seiner Frau Angelika in Hamburg. vkExtra

... Franz Grundheber. Was würden Sie einem jungen Menschen raten, der Profisänger auf der Opernbühne werden will? Grundheber: Wer großes Talent hat und Sänger werden will, soll es tun. Es muss aber jemand bestätigen, dass man Talent hat. Schwierig ist es, einen guten Gesangslehrer zu finden. Was haben Sie am Max-Planck-Gymnasium in Trier gelernt, das Ihnen später in Ihrem Berufsleben geholfen hat? Grundheber: Eine ganze Menge. Durch mehrere gute Deutsch- und Kunstlehrer ist in mir die Liebe zur Literatur, zum Theater und Schauspiel geweckt worden. Die Oper Wozzeck war 2007 Ihre erste Regiearbeit am Theater Trier. Verfolgen Sie diesbezüglich weitere Pläne? Grundheber: Nein. Wenn man gute Regie machen will, braucht man dafür unheimlich viel Zeit. Wie soll die Inszenierung sein, wie bringe ich das Stück auf die Bühne? Normalerweise fängt man ja mit etwa 20 Jahren als Regieassistent am Theater an und nicht erst mit über 70 Jahren. Das mit Wozzeck war für mich eine einmalige Sache. Verfolgen Sie die Trierer Kulturpolitik? Was halten Sie beispielsweise von der Wahl des designierten neuen Intendanten Karl Sibelius? Grundheber: Ja, ich verfolge die Trierer Kulturpolitik. Aber nein, Karl Sibelius kenne ich nicht. vk

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