Wenn Kinder zu Monstern gemacht werden

TRIER. Niemand würde vermuten, dass die junge Frau in Jeans, Weste und mit der flotten Kappe auf dem Kopf noch vor Jahren mit dem Gewehr getötet und im Dreck gelegen hat. China Keitetsi war zu Gast in der Trierer Buchhandlung Stephanus.

Vielleicht sind ihre Augen etwas trauriger, als man das von einer 27-Jährigen erwartet. Und wenn sie in sich hineinhorcht, wird ihr Gesicht abweisend, ihre dunklen Augen noch dunkler. China Keitetsi ist eine ehemalige Kindersoldatin aus Uganda. Mit neun Jahren lief sie von zu Hause fort, wurde von Soldaten der ugandischen Widerstandsarmee NRA aufgegriffen und in einem Rekrutierungslager "abgerichtet". Zehn Jahre später gelingt ihr die Flucht. Heute lebt sie in Dänemark, arbeitet in einem Kindergarten und macht eine Ausbildung als Sozialarbeiterin.Ihre schrecklichen Erinnerungen hat sie auf Anraten einer Psychologin aufgeschrieben. Daraus ist ein bewegendes Buch geworden, das von der unvorstellbaren Grausamkeit eines Lebens als Kindersoldatin berichtet. China Keitetsi tut das schnörkellos und ohne falsches Pathos. So steht sie auch an diesem Abend vor ihrem Publikum in der Buchhandlung Stephanus, wo sie auf Einladung der örtlichen Gruppe von Amnesty International ihre Erinnerungen vorstellt. Noch immer fällt es ihr schwer, über ihre Erlebnisse zu sprechen. Immer wieder kämpft sie mit den Tränen. "Es ist hart für mich, über meine Ver- gangenheit zu reden, aber es hilft mir zu überleben." Mit 300 000 Kindersoldaten rechnen die Menschenrechtsorganisationen und die Vereinten Nationen weltweit.Die Geschundenen schlagen zurück

In der Regel sind es Kinder aus den Elendsvierteln der Großstädte und aus zerbrochenen Familien, die mit falschen Versprechungen angelockt und mit Drogen und Gewalt gefügig gemacht werden. Auf Mädchen warten zudem Vergewaltigung und sexuelle Versklavung. Die geschundenen Kinder schlagen zurück. Wenn sie die "Grundausbildung" überleben, lernen sie töten und brandschatzen, ohne mit der Wimper zu zucken. China Keitetsi durchschaut, wie die Kette der Gewalt entsteht. "Man kann sich nicht vorstellen, welche Gewalt von Erwachsenen ausgeht und wie das auf Kinder wirkt. Da werden richtige Monster produziert."Ihre eigene Verelendung begann, wie in vielen Fällen, schon in der eigenen Familie. Der gewalttätige Vater, die prügelnde Großmutter, die lieblose Stiefmutter trieben das Kind aus dem Haus. In der Armee schien es für sie plötzlich so etwas wie Sicherheit zu geben. "Ich hatte meine Uniform und mein Gewehr, sie sagten mir, was ich zu tun und zu fühlen hatte." Inzwischen weiß China Keitetsi, dass jene vermeintliche Heimat die Hölle war, aus der sie bis heute nicht fliehen kann.China Keitetsi, "Sie nahmen mir die Mutter und gaben mir ein Gewehr", Ullstein Berlin, 8,95 €.

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