Wenn Lehrlinge den Hof kehren

Die vergleichsweise entspannte Lage auf dem Arbeitmarkt schlägt sich auch in einem verbesserten Lehrstellenangebot nieder. Doch Lehrstelle ist längst nicht gleich Lehrstelle.

Berlin. Laut Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) stehen für 100 Bewerber bundesweit im Augenblick 78 Ausbildungsplätze zur Verfügung. Im Vorjahr waren es um die gleiche Zeit nur 64. "Da im September noch mehr Angebote hinzukommen, wird sich diese Zahl weiter erhöhen", sagte der IAB-Ausbildungsexperte Hans Dietrich unserer Zeitung.

"Die Mehrzahl ist zufrieden"



Lehrstelle ist allerdings nicht gleich Lehrstelle, halten die Gewerkschaften dagegen. Nach dem gestern veröffentlichten Ausbildungsreport des DGB sehen sich viele Azubis mit regelmäßigen Überstunden, schlechter fachlicher Anleitung und einer geringen Aussicht auf Festanstellung konfrontiert. Für die dritte DGB-Untersuchung dieser Art wurden 4725 Jugendliche in den 25 häufigsten Ausbildungsberufen befragt. Fazit von DGB-Vize Ingrid Sehrbrock: "Die Mehrzahl ist zufrieden. Aber wir hören auch viel Kritisches von den jungen Frauen und Männern."

Ein großes Ärgernis sind "ausbildungsfremde Tätigkeiten" wie zum Beispiel den Hof kehren oder Einkäufe für den Chef erledigen. Fast jeder fünfte Befragte gab an, "immer" oder "häufig" damit befasst zu sein. Schwerpunkte sind hier das Dienstleistungsgewerbe und die Baubranche.

Für durchschnittlich 40 Prozent der Auszubildenden gehören regelmäßige Überstunden zum Alltag. Vor zwei Jahren waren es nur 35 Prozent. Bei den Hotelfachleuten ist die Quote mittlerweile sogar auf 70 Prozent gestiegen. Am besten stehen angehende Industriemechaniker da: Hier arbeiten nur 18 Prozent regelmäßig länger. Ein weiterer Kritikpunkt sind die Ausbildungsinhalte: Immerhin jeder dritte Azubi klagt darüber, nur "manchmal", "selten" oder "nie" fachlich betreut zu werden. Ganz oben auf der Zufriedenheitsskala steht dabei der schon erwähnte Industriemechaniker, bei dem neben der Ausbildung auch die Vergütung stimmt. Im Westen kommt ein Azubi monatlich auf 789 Euro, im Osten auf 744 Euro. Ähnlich gut schneiden Bürofachkräfte und Bankkaufleute ab. Am Ende rangieren Gastronomieberufe sowie das Bäcker- und Malerhandwerk. Hier mangelt es laut DGB-Umfrage sowohl an der Ausbildungsqualität wie auch am Verdienst. So erhält zum Beispiel ein Bäckerlehrling nur 457 Euro im Monat. Im Osten sind es sogar rund 100 Euro weniger.

Den jüngsten Vorwurf des Mittelstandsverbandes BVMW, viele Lehrlinge zeigten weder Engagement noch Disziplin, wies Sehrbrock als ungerechtfertigtes Pauschalurteil zurück. Zugleich wehrte sie sich gegen eine grundsätzliche Leistungsvergütung der Azubis, die der BVMW ebenfalls angeregt hatte.

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