Wenn Schillers "Glocke" als Rap erklingt

Trier · Zum Frontalangriff auf die Lachmuskeln ist Comedian Heinz Gröning mit seinem Programm "Heinzigartig - Wie die Liebe" in der Trie rer Tuchfabrik angetreten. Als dichtendes, singendes, tanzendes und ulkendes Multitalent machte er dem Namen seiner Bühnenfigur "Der unglaubliche Heinz" alle Ehre. Das war Spaß nonstop fürs Publikum.

 Sänger, Dichter, Frohnatur – Heinz Gröning garantiert mit seiner Comedy Stimmung und Riesenspaß. TV-Foto: Anke Emmerling

Sänger, Dichter, Frohnatur – Heinz Gröning garantiert mit seiner Comedy Stimmung und Riesenspaß. TV-Foto: Anke Emmerling

Foto: Anke Emmerling (ae) ("TV-Upload Emmerling"

Trier. Auf den ersten Blick ist Heinz Gröning vielleicht nicht der Traum aller Schwiegermütter. Bullig, muskelbepackt, mit relativ wenig Haupthaar und einer Mimik, die den Begriff "dezent" vergessen lässt, entspricht er tatsächlich eher dem Typ "kaukasischer Karussellbremser", als den er sich selbstironisch bezeichnet.
Aber was macht das schon, wenn er dafür andere Qualitäten hat, die ihm gerade im Zusammenspiel mit diesem Äußeren den gewinnenden Charme eines individuellen Originals geben? Da wäre sein tänzerisches Talent, wenn er beim Salsa mit schwungvoll kreisenden Hüften perfekt den Latin Lover mimt. Oder die schauspielerische Ader, mit der er schön überspitzt Macho-Sexappeal zur Schau trägt, wenn er die Gitarre holt.
Gröning ist ein guter Sänger, dessen Stimme und Interpretation etwas an Rio Reiser erinnern. Und er ist gewieft im Umgang mit Sprache, vermag ein Spektrum von Blödelei über pointierte Ironie bis hin zu mehr oder weniger niveauvoller Poesie abzudecken.
Mit all diesen Talenten gestaltete er ein Programm, in dem es vordergründig um die Liebe und ihre Tücken geht. Ein Beispiel: Sie: "Ihr Männer seid doch alle gleich." Er: "Warum seid ihr Frauen dann so wählerisch?".
Wesentlich aber geht es um "gelebte geile Comedy" jenseits von Standardformaten, um Spaß und nichts als Spaß. Damit das Publikum mitzieht, verordnet der 50-jährige studierte Mediziner, der einst in der Pathologie gearbeitet hat, Lockerungs- und Grins-Übungen. Tatsächlich klappt dann die Interaktivität, alle knapp 100 Besucher stimmen in Wechselgesänge oder Frage- und Antwortspielchen ein. Auch lassen sie ihren Lachimpulsen freien Lauf, etwa wenn Gröning über seinen Geburtsort Emmerich erzählt: "Da gibt\'s ganz viel Gegend und ganz viel Gras - überwiegend selbst angebaut ..." Oder wenn er Kalauer präsentiert wie: "Was haben ein VW Bus und Jesus gemeinsam? - Beide sind Mehrtürer/Märtyrer." Oder, wenn er gesungene Vierzeiler zum Besten gibt, wie dieses Lied für eine Verflossene: "Baby, ganz egal, wo du jetzt bist, bleib da." Hierzu erklärt er: "Ich nenne das Minimal-Songs, denn dann ist es kein Schwachsinn mehr, sondern Kunst, und die wird vom Staat gefördert."
Erst ernst, dann urkomisch


Tatsächlich begibt er sich dann auf das Terrain literarischer Kunst und liefert das Glanzstück des Abends. Als "MC Schiller", die Reinkarnation des Dichters, deklamiert er "Die Glocke", zunächst ernsthaft und grandios theatralisch, dann aber in Variationen. Da präsentiert er Schillers Verse als Rap, als Büttenrede im Kölner Karneval, oder im röhrend tiefen Klang einer zu langsam laufenden Tonspur. In all das flicht er Seitenhiebe auf die, die sich mit Halbwissen und ohne Respekt an Schillers Werk bedienen. Auch neuzeitliche "Dichter" wie Bushido bekommen ihr Fett weg.
Das Publikum spendet tosenden Applaus, die Stimmung im Saal ist ausgelassen. Dass ihm so viel Sympathie entgegenfliegt, kann sich Gröning natürlich erklären. In Wikipedia sei zu lesen - und er wisse es genau, weil er es selbst dorthin geschrieben habe - dass sein Name aus dem Usbekischen komme. Er bedeute "Guru of Love".
Nach diesem Abend wäre auch eine andere Übersetzung denkbar: "Guru des Humors." ae

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