Wenn Wagner und Tango aufeinandertreffen

Trier · Lebenslust und Gottesfurcht, Exaltiertheit und Demut, Jubel und Schmerz - geht das zusammen? Es geht. Und wie! Chor und Orchester des Collegium Musicum der Universität Trier stellten das am Sonntag in der Pfarrkirche Heiligkreuz mit der Aufführung der "Misa Tango" eindrucksvoll unter Beweis.

 Konzertanter Klangkörper mit viel Ausstrahlung: das Collegium Musicum der Universität Trier. TV-Foto: Rolf Lorig

Konzertanter Klangkörper mit viel Ausstrahlung: das Collegium Musicum der Universität Trier. TV-Foto: Rolf Lorig

Foto: Rolf Lorig (flo), Rolf Lorig ("TV-Upload Lorig"

Trier. Michael Jäckel, Präsident der Universität Trier, kann stolz auf das musikalische Aushängeschild seines Hauses sein. Schon eine Stunde vor Konzertbeginn warteten viele Menschen geduldig vor der Kirche auf Einlass. Längst nicht alle hatten bereits Eintrittskarten; viele erhofften noch im letzten Moment eine Karte ergattern zu können. Kein Wunder, gehört die "Misa Tango" von Martin Palmeri doch zu den Werken, die nicht von allen Christen positiv gesehen werden. "Bei dieser Messe kommt vieles zusammen, das so vor dem 20. Jahrhundert undenkbar gewesen wäre", sagte Jäckel in seinem Grußwort.
Und in der Tat - konservativen Menschen verlangt diese Messe einiges ab. Denn Eleganz, Stolz, Kraft, aber auch ein Schuss Verruchtheit sind charakteristische Merkmale des argentinischen Tangos. Diese Elemente mit einem abendländischen Gottesdienst zu verbinden erfordert Mut.
Dass dieses Vorhaben aber zu einem positiven und beglückenden Ergebnis führt, ist letztlich der Musik und vor allem den Akteuren geschuldet. Kaum ein Dirigent wäre besser geeignet, dieses monumentale Werk zur Aufführung zu bringen, als Mariano Chiacchiarini, Sohn italienischer Eltern und in Argentinien aufgewachsen.
Seit April 2011 leitet er das Collegium Musicum, einen Zusammenschluss von Studierenden, Mitarbeitern der Universität und musikbegeisterten Menschen aus der Region. Einfühlsam, aber bestimmt, führt er Orchester und Chor durch das Konzert. Mit seinem unaufgeregten und präzisen Dirigat fordert er und gibt Zuspruch zugleich.
Chiacchiarini nutzt die Bandbreite von Blech, Pauken, Streichern und Bläsern gleich zu Beginn voll aus. Bombastisch durch den Einsatz von Blech und Pauken das Kyrie, das von seiner temperamentvollen Komposition her keinen Zweifel an der geografischen Herkunft lässt. Zurückhaltung ist an dieser Stelle weniger angesagt; Chor und Orchester sind gleich auf Anhieb maximal gefordert.
Wobei die Passagen, die von Melancholie und Schmerz getragen werden - beispielsweise im Gloria, bei dem in diesem Konzert erstmals die grandiose Mezzosopranistin Agnes Lipka ihren Einsatz bekommt -, genau das rechte Maß an musikalischer Zurückhaltung erhalten, das sie benötigen. Und ja, der Tango ist sehr präsent. Ganz besonders in den Momenten, wenn dem Orchester die alleinige Aufmerksamkeit zukommt. Wenn man in diesen Momenten die Augen schließt, taucht unwillkürlich das tangotanzende Paar auf ...
Und noch eine Besonderheit gibt es: Das Orchester wurde durch ein Bandoneon erweitert. Ohne dieses in Deutschland entwickelte, zwischenzeitlich aber in Argentinien beheimatete akkordeonähnliche Instrument wäre der Tango undenkbar. Und so wundert es auch nicht, dass dem Bandoneon - meisterhaft gespielt von Juan Guerra - sozusagen die Rolle des roten Fadens zukommt, der sich durch die gesamte Messe zieht.
Das Spiel der Gegensätze fand auch im Programm seinen Niederschlag: Messe, Tango, Wagner. Mit dem von einer Bläsergruppe intonierten Pilgerchor aus Wagners "Tannhäuser" hatte das Konzert begonnen und mit "Siegfried Idyll" seine Fortführung gefunden. Dieses Konzert war ein großartiges Erlebnis, das den Besuchern noch lange in Erinnerung bleiben wird.
Mehr Informationen zu Chören in der Region unter www.tvoice.de

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