Wenn’s von der Decke regnet, ist es gut!

Trier/Hamburg · Gefeierte Auftritte, das Album in den Charts und eine besondere Ehre in Hamburg: Für Love A aus Trier läuft’s rund.

 Die Trierer Band Love A mit Gitarrist Stefan Weyer, Sänger Jörkk Mechenbier, Schlagzeuger Karl Brausch und Bassist Dominik Mercier (von links). Foto: Band

Die Trierer Band Love A mit Gitarrist Stefan Weyer, Sänger Jörkk Mechenbier, Schlagzeuger Karl Brausch und Bassist Dominik Mercier (von links). Foto: Band

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Trier/Hamburg Ein Detail, das dokumentieren kann, wie das Jahr für Love A bisher gelaufen ist? Bitteschön: Dass die Trierer Band eingeladen wurde, am nächsten Wochenende in Hamburg beim Reeperbahn-Festival zu spielen, das ist die eine Sache. Da stöpseln sich viele Bands mit Potenzial ein. An den vier Tagen ab Mittwoch, auf 70 Bühnen quer durch St. Pauli. Aber Love A spielen nicht nur an der wohl legendärsten Kiez-Adresse, der Großen Freiheit 36, wo unten im Kaiserkeller einst die Beatles auftraten. Sie haben von den Machern der als "bestes europäisches Indoor-Festival" ausgezeichneten Veranstaltung auch den perfekten Termin bekommen: Samstagabend kurz nach 21 Uhr auf der großen Bühne: über eine Stunde Post-Punk aus der, nun ja, Provinz. Vor 1500 Zuschauern, die Trier wohl mehrheitlich nicht punktgenau auf der Landkarte finden würden.

Aber gerne doch, wenn die Macher eines Festivals mit mehr als 30 000 Besuchern das so wollen! Jörkk Mechenbier nimmt's mit einer Mischung aus Überraschung, kindlicher Vorfreude und vielleicht ein bisschen Stolz - auch wenn der Sänger von Love A Letzteres ganz sicher so nicht sagen würde. Seit kurzem lebt er in Hamburg, nach einem Intermezzo in Wuppertal und zuvor vielen Jahren in Trier, wo sich die Band vor über sieben Jahren gegründet hat und wo Bassist Dominik Mercier und Schlagzeuger Karl Brausch weiterhin leben. Gitarrist Stefan Weyer, ebenfalls in Trier aufgewachsen, lebt in Köln. Vier Jungs in ihren Dreißigern, in drei Städten übers Land verteilt, alle in Vollzeitjobs: Sie bilden eine Band, die aus logistischen Gründen "praktisch nie probt" (Mechenbier), die aber so gut und wichtig ist, dass fast kein großes Musikmagazin an ihr vorbeikommt. Und deren viertes Album "Nichts ist neu" im Mai 2017 versehentlich sogar in die Albumcharts kam (Platz 36). Vor nichts ist man mehr sicher. Manches ist doch noch neu.

"Wir sind vielleicht die professionellsten Amateure im Geschäft", sagt Jörkk Mechenbier im Telefonat mit dem TV auf die Frage, wie das alles zu vereinbaren sei. Bei ihm schwingt gern Understatement mit. Er schreibt Texte wie kaum ein andererer im Land. Präzise Beobachtungen über Ekel und Alltag, Wut und Ratlosigkeit, aber ohne all das im reinen Zynismus zu ersaufen, wie die Misanthropen von anderen Kapellen. Über Idioten singt er, ja, aber über Provinz? Eher nicht. Und wenn ihm das alles zu hymnisch wird, kontert der Sänger gern mit: "Der Einzige in der Band ohne Abi schreibt die Texte. Das merkt man auch!" Das hatte ihm einmal ein Kumpel im Scherz attestiert.

Die Vierer-Fernbeziehung der einstigen Love Academy (sie mussten ihren Namen vor dem ersten Album ändern) funktioniert. "Wir sind zwar von früher mal 50 Konzerten im Jahr auf 20 bis 30 runter", sagt Jörkk. "Aber dank unserer Booking-Agentur läuft das gut. Wir haben unseren Turnus gefunden. Eine Tour im Frühjahr, eine im Herbst - und wenn was Cooles dazwischen kommt, dann kriegen wir das auch noch hin." Love A sind gefragt, ausverkaufte Shows sind keine Seltenheit. Im Sommer spielten sie auch auf dem "Deichbrand" - mit 60 000 Besuchern eines der größten Festivals in Deutschland - oder dem Highfield-Festival bei Leipzig. Aber Festivals in der Größenordnung wie das Deichbrand seien auch reichlich unpersönlich. "Klar, da hast du deinen eigenen klimatisierten Container, und es wird alles erfüllt, was auf deiner Liste steht. Aber es ist auch ein bisschen Massenabfertigung", sagt der Sänger, der mit seinem Zweitprojekt "Schreng Schreng und La La" kürzlich noch beim Rockaway Beach Open Air mit Fehlfarben und Pascow in Losheim gespielt hat.

"Für uns steht immer noch der Klassenfahrt-Gedanke im Vordergrund - und dass wir ein geiles Wochenende haben." So war's etwa beim Heimspiel im Juli, dem "Summer of Love A"-Open-Air auf der Sommerbühne des Exhauses vor 650 Zuschauern. Oder - intimer - im vor 150 Leuten ausverkauften Bonner "Bla": "Da tropfte der Schweiß von der Decke, und ich konnte die letzten drei Songs nur noch im Knien singen, weil ich kurz vor dem Kollaps war - aber so war das gemeint."

Musikalisch hat sich die Band längst gefunden: Post-Punk mit Wave-Anleihen. Die späten 70er, frühen 80er klingen immer wieder durch. Das vierte Album ist etwas verspielter als die Vorgänger. "Wir erzählen ja immer, dass wir nichts anderes können und wir das machen, was wir immer machen. Von daher war abzusehen, dass keiner das Album komplett scheiße findet. Aber dass es bei den Kritiken noch einmal eine Steigerung geben würde, hätte ich nicht erwartet", sagt er. "Nichts ist neu", das im Trierer Exhaus und im Bitburger M-O-S-Studio aufgenommen wurde, erhielt unter anderem im Musikexpress oder in der Visions hervorragende Kritiken. Und beim Reeperbahn-Festival wissen sie, dass Love A das auch live so umsetzen kann, dass manchmal sogar Schweiß von der Decke regnet. Vielleicht sogar in der Großen Freiheit.

Love A tritt am Samstag, 28. Oktober, im Circus Maximus in Koblenz auf.

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