Wer will nicht Prinzessin sein?

Kaum auf der Bühne jubeln und gröhlen die rund 1200 Zuschauer ihr schon zu: Cindy aus Marzahn (alias Ilka Bessin), in schätzungsweise zwei Konfektionsgrößen zu knappen Stoffträumen aus Pink und Lila gekleidet, beweist in Trier einmal mehr, dass sie zwar kein Gespür für Formen und Farben hat; bei ihrem eineinhalbstündigen Ausflug in ihre Welt aber sehr wohl den humoristischen Geschmack des Publikums trifft

Trier. Im Jahr 2004 in der Fernseh-Show "Quatsch Comedy Clubs" entdeckt, beweisen ihre zahlreichen umjubelten Auftritte im Fernsehen und der Gewinn des Deutschen Comedy Preises 2007, dass Cindy aus Marzahn keine dicke Eintagsfliege, sondern richtig dick im Geschäft ist. Das bewies sie auch bei ihrem Auftritt in der ausverkauften Europhalle. Hier eine Annäherung an die Kunstfigur Cindy aus Marzahn:

Cindy, gesprochen "Sssündi”, ist eine ostdeutsche Kunstfigur, die jedoch durch die Vielzahl der (Ossi- wie Wessi-)Klischees, die sie auf sich vereint, jedem von uns ein klein wenig bekannt vorkommt.

Ilka Bessin bezeichnet sich selbst als "Cindys Entdeckerin", beide Figuren sind allen Gerüchten zum Trotz weiblich ("Als dicke Transe hätte ich Sie lustig gefunden", soll ein Gast nach einer Show mal zu ihr gesagt haben. Cindy: "Da hab' ick dem erstmal 'n Tunnel ins Gesicht geboxt.").

Niveau ist keine Handcreme, das weiß auch Cindy. Wäre die Stand-up-Comedy allerdings ein Plattenbau, ließe der Ausflug in ihre Welt hauptsächlich in die unteren Etagen blicken.

Doreen ist die Frau von Cindys Bruder Justin-Kevin. Shanaya-Aphrodite ist eine Nachbarin von Cindy, Jennifer-Lee heißt Cindys Tochter.

Yuppie wäre Cindy, wenn Prinz Frederik von Anhalt sie als Prinzessin adoptieren oder Paris Hilton ihre mutmaßliche Zwillingsschwester als solche anerkennen würde.

Männer "sind so einfach. Wenn die'n geilen Körper sehen, machen die alles", glaubt Cindy. Gleichzeitig fragt sie sich: "Wenn Sex schlank macht, warum hab' ick dann Übergewicht?" Unklar ist auch, wer als Jennifer-Lees Vater infrage kommt. Torben, Jean-Pascal, Enrico, Hassan oder doch ein anderer? Gewissheit könnte höchstens ein Vaterschaftstest bei "11-Uhr-Britt" bringen, aber "dann säßen ja mehr Leute auf der Bühne als im Publikum". Von ihren Fans lässt Frau Cindy sich mit "Ja, Herrin" oder "Ja, Prinzessin" anreden.

Arbeit hat Cindy keine feste, sie lebt von "Hartz XII".

Rudis Resterampe war nach einer Umschulung für wenige Wochen Cindys Arbeitsplatz, bis es ihr stank, "Scheiße zu verkoofen".

Zielgruppe hat Cindy keine bestimmte, ihr Publikum könnte bunter nicht sein. Positiv ist ihre Nähe zu den Zuschauern, darunter auch "Opfer", die sie sich mehr als einmal im Saal-Licht anschaut und auf deren Kosten einige Pointen gehen. In Trier besonders angetan hat es ihr (und ihrer sexuellen Vorfreude) "Geburtstagskind" Flo, der 26 geworden ist, sowie der zwölfjährige Philipp ("Da hat die Mama nachher aber einiges zu erklären").

Ausdruck verleiht Cindy ihren Gedanken vor allem durch ihre recht derbe Wortwahl: "Berliner Schnauze" eben.

Heimat ist für Cindy der Berliner Ortsteil "Marzahn", gleichzeitig ein Synonym für die größte Großbausiedlung zu DDR-Zeiten. Plattenbauten kennt Cindy-Darstellerin Ilka Bessin aber auch aus eigener Erfahrung. Ursprünglich stammt sie aus dem brandenburgischen Luckenwalde.

Nun ja, "Schizophren - Ich wollte ne Prinzessin sein" ist Stand-up-Comedy mit hohem Unterhaltungsfaktor bei wenig Tiefgang. Im Gedächtnis bleiben jedoch Cindys Schlusswort, dass - sinngemäß - ein jeder, egal was er macht, zu sich und den Menschen im direkten Umfeld stehen sollte sowie die Frage "Wie kommt das "Rasen betreten-verboten"-Schild auf den Rasen?". Auch wenn Cindy die Antwort schuldig bleibt, war ihr Gastspiel in Trier ein starker Auftritt von einer - in jeder Hinsicht - starken Frau.

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