Wer zweimal mit derselben pennt...

TRIER. Wenn das kein Kult wird: Das Theater Trier schickt sein Publikum mit der Komödie "Offene Zweierbeziehung" auf eine turbulente, krachkomische Zeitreise in die frühen 80er-Jahre. So viel Amüsement wie bei diesem "Rosenkrieg" war im großen Haus schon lange nicht mehr.

Mein Gott, ist das wirklich auch meine Vergangenheit? Diese Deko in, pardon, kack-orange. Dieses Mobiliar, an dem alles irgendwie rund ist, von der Sitzecke über den Türrahmen bis zum Clubsessel. Und vor allem diese - igitt - Klamotten! Nein, das muss irgendwann vor meiner Geburt gewesen sein. Wann spielt das Stück? Um 1980? Da wird es wohl Zeit, sich seiner Vergangenheit zu stellen, auch wenn es wehtut. Wann hat man das schon mal, dass der ganze Theater-Saal schon vor Vergnügen loswiehert, bevor die Akteure ein Wort gesagt haben? Das Bühnenbild von Peter Müller und vor allem die Kostüme von Carola Vollath machen's möglich. Wenn Macho-Ehemann Michael Ophelders mit einem T-Shirt ankommt, auf dem die berühmte Jack-Nicholson-Fratze aus dem Film "Shining" prangt, dann bleibt der Lach-Erfolg ebenso wenig aus wie beim Auftritt von Ehefrau Barbara Ullmann im geschmackvollen Aerobic-Outfit. Am Ende jubeln und johlen die Zuschauer minutenlang, noch auf der Treppe im Foyer klingt mancher Lacher nach. Dabei musste man nicht unbedingt mit einem solchen Erfolg rechnen. Das Stück von Dario Fo und Franca Rame atmet stark den Zeitgeist der späten 70er-Jahre, als die 68er-Devise "Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment" mit ihrem letzten Wellenschlag auch das kleinbürgerliche Schlafzimmer erreichte. So manchem Ehemann lieferte die gesellschaftliche Generaldebatte um die "Spießigkeit" der Ehe den willkommenen Vorwand für eine politisch korrekte Ausweitung des sexuellen Aktionsradius'. Wohingegen die Ehefrau, machte sie ähnliche Rechte geltend, mit Eifersuchtsdramen rechnen musste. Über diese Heuchelei macht sich das Original-Stück lustig. Aber ein Gatte, der seine ehelichen Treuepflichten unter Verweis auf seine progressive Weltanschauung umgehen will, ist anno 2007 keine Provokation mehr, sondern eine Witzfigur. Man bleibt zu zweit, oder man lässt sich scheiden. Basta. "Offene Zweierbeziehung": eine Idee, ferner als der Mond. Klugerweise versucht Regisseur Jürgen Lorenzen deshalb gar nicht erst, die politische Dimension des Stücks zu erfassen. Er verlässt sich ganz auf die anarchische Komik des Autoren-Paars. Das ist grandioses Boulevard-Theater mit allen Kniffen dieses Metiers, mit atemberaubendem Tempo, frechen Anspielungen und einer unendlichen Fülle liebevoll und intelligent gestalteter Details, die das Zeitkolorit einfangen. Das beginnt beim antiquiert-amtlichen Tagesschau-Wetterbericht mit seinen "skandinavischen Kaltluft-Fronten" und hört bei "Rubik's Cube", der Warhol-Suppendose und Triers 80er-Kult-Disko "Madison" noch lange nicht auf. Nicht zu reden von dem liebevoll ausgewählten Soundtrack, der solide Repertoire-Kenntnisse offenbart. Aber all das würde für ein Zwei-Personen-Stück auf der großen Bühne kaum reichen, hätte Lorenzen nicht zwei wunderbare Schauspieler, die sein feines Timing, seine Choreografie, seine originellen Wechsel der Erzählebenen kongenial umsetzen. Michael Ophelders als Ehemann hat dabei die etwas undankbarere Rolle: Ein saukomischer Ritter von der traurigen Gestalt, der dank seiner Liebschaften einen zweiten Frühling erlebt - was aber jäh endet, als seine Frau nach endlosen Demütigungen mit einem Freund aufwartet, der mehr verdient, weniger wiegt und jünger ist als der Herr Gemahl. Barbara Ullmann darf nach Herzenlust die darstellerische Wutz rauslassen, das Publikum dirigieren, die Fäden ziehen. Eine Traum-Aufgabe, und ein Traum-Comeback nach 15 Jahren. Schön, dass das Theater solches Potenzial vor Ort nicht ungenutzt lässt. Beim gemeinsamen Spiel mit Ophelders sprühen nur so die Funken, vor allem, wenn es mitten reingeht ins Publikum. Da ist keine Minute Leerlauf oder Langeweile, allenfalls am Schluss, wenn zwei längere Musik-Elemente die Leute vom finalen Jubel trennen. Die Wette gilt: Das wird, wie schon Lorenzens "Ladies Night", ein Kult-Stück. Für Damenkränzchen, die sehen wollen, wie man es den Herren mal richtig zeigt. Für Männer mit Sinn für Selbstironie. Für die Generation 40plus als Nostalgie. Und für Kids, die immer schon mal die peinlichen ästhetischen Jugendsünden ihrer Eltern kennen lernen wollten.

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