Wie ein Natur-Ereignis

Als er vor gut zehn Jahren aus Trier weg ging, galt er als exzentrischer Paradiesvogel und hochtalentierter Wissenschaftler. Am Sonntag kommt Jens Förster für ein "Trierer Sonntagsgespräch" zurück - als einer der führenden Sozialpsychologen Europas, Professor in Amsterdam, Institutsdirektor und Autor eines populärwissenschaftlichen Bestsellers.

Trier. Ist das wirklich schon so lange her, dass er mit 25 Akteuren der Theatergruppe "Tete à tete" auf der Tufa-Bühne stand, geballtes Charisma, singend, spielend, die Hauptrolle in selbst geschriebenen Stücken zelebrierend, die schon mal vier Stunden dauern konnten?Der Ostwestfale Jens Förster kam Anfang der 90er Jahre über Trier wie ein Naturereignis. Psychologie-Student, erster Asta-Schwulenreferent, ausgebildeter Opernsänger, Chansonnier, Autor, Nachwuchs-Wissenschaftler. Einer, der Leute um sich scharte. Gemeinsam mit dem Regisseur Frank Hirschmann sorgte er für eine Blütezeit der freien Theaterszene in Trier - nicht nur unter den Akteuren. Manche ihrer höchst eigenwilligen Produktionen zogen mehr Publikum an als das Theater-Studio. Wenn Förster als frisch gebackene Uni-Hilfskraft für seinen Prof Vorlesungen halten durfte, waren das überfüllte Kult-Veranstaltungen, um die sich die Studenten rissen. Selbst als Forschungs-Stipendiat in New York, Hochschulassistent in Würzburg und Professor in Bremen blieb er mit seiner künstlerischen Existenz Trier treu: Seine Solo-Programme "Niemandsrose", "Phoenixfedern" und zuletzt (2005) "Paarhufer sind nie allein" wurden in der Tufa aus der Taufe gehoben. Er hasst das Attribut "singender Professor"

Da war die wissenschaftliche Karriere längst in vollem Gange. Und obwohl Förster schon 2001 im TV-Interview seine Abneigung gegen das Attribut eines "singenden Professors" bekundet hatte, sorgte gerade das ungewöhnliche "Doppelleben" für großes Medien-Echo. "Forscher, Sänger, Provo" überschrieb die "Zeit" ein großes, spannendes Porträt. Dabei war Förster bei aller Exaltiertheit für die Rolle des Provokateurs immer viel zu schüchtern. Seit letztem Jahr ist das öffentliche Interesse noch einmal beträchtlich gewachsen. Denn mit seinem Buch "Kleine Einführung in das Schubladendenken" (erschienen bei DVA) gelang Jens Förster, was Wissenschaftlern selten glückt: Einen komplizierten Sachverhalt allgemeinverständlich und unterhaltsam zu thematisieren, ohne beim eigenen Stand in den Ruch der Unseriosität zu geraten. Das Werk "über den Nutzen und Nachteil des Vorurteils" fasst Försters Erkenntnisse als führender europäischer Vorurteils-Forscher anhand praktischer, auch höchst persönlicher Beispiele zusammen. Fernab wohlfeiler "political correctness" untersucht er die schädlichen, manchmal aber auch heilsamen Auswirkungen von Vorurteilen auf das Alltagsleben. Er beschreibt beliebte Stereotype und versucht herauszufinden, wie sie das Verhalten beeinflussen - mal bewusst, mal unbewusst, mal unterbewusst. Seit das Buch die Spiegel-Bestsellerliste zierte, häufen sich in Amsterdam, wo er seit 2007 lehrt, die Anfragen. Nicht nur von Hochschulen, sondern auch von Talkshows. Von Frank Elstner bis (damals noch) Eva Hermann zeigte er sich als exzellenter Gesprächspartner.Davon können sich nun auch die Trierer überzeugen. Förster kommt am Sonntag zum "Trierer Sonntagsgespräch", das die Uni, die Katholische Akademie und das Theater regelmäßig gemeinsam organisieren. Über das Thema "Toleranz und Vorurteile" diskutiert er mit dem Trierer Soziologen Alois Hahn. Auch das Publikum ist, wie stets beim Sonntagsgespräch, zum Mitreden eingeladen. Sonntag, 20. April, 11.15 Uhr, Theater Trier, Foyer.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort