Wo Pianisten auf Physiker treffen

Kleinich · Das Landhaus Arnoth in Kleinich hat sich zu einem beliebten Seminar- und Übungsort für Künstler und Wissenschaftler entwickelt. Neben namhaften Künstlern des Mosel Musikfestivals haben sich dort auch schon die fünf Wirtschaftsweisen der Bundesregierung getroffen. Maßgeblichen Anteil an dieser Popularität hatte die Verlegerfamilie Rowohlt, die in der Nähe einst eine Mühle besaß.

Wo Pianisten auf Physiker treffen
Foto: Christoph Strouvelle (cst) ("TV-Upload Strouvelle"

Kleinich. Sechs Frauen und zwei Männer bilden zusammen mit der Sopranistin Annette Postel einen Kreis im ehemaligen Backhaus des Kleinicher Landhauses Arnoth. "Was will die Stimme, damit sie schwingt?", fragt die Opernsängerin die Teilnehmer ihres Stimmbildungsseminars. Aufmerksam sitzen sie vor ihr, hören auf die Beispiele, die Postel ihnen vorsingt, und schauen gebannt auf den Bildschirm eines Laptops. Dort sehen sie, wie die in einem Film gezeigten Stimmbänder der Sopranistin vibrieren.
Annette Postel hat schon mehrfach Seminare in der Abgeschiedenheit des Hunsrücks veranstaltet: "Wir fühlen uns hier wohl. Die Atmosphäre wirkt sich auch auf die Seminarteilnehmer aus."
Viele prominente Gäste


Neben Postel haben schon weitere namhafte Künstler Seminare in dem Hotel abgehalten, unter dessen Dach sich auch ein Restaurant befindet. Zu den prominenten Gästen zählten etwa die Pianistin Cordula Hacke und der Saxofonist Stefan Weilmünster, berichtet Udo Gündel, seit 2009 Inhaber des Hotels. "Einmal hatten wir 35 Streicher hier, da hörte man von dort Beethoven, aus einem anderen Raum Brahms und von einer dritten Stelle her klang Tschaikowski", erinnert er sich.
Doch nicht nur Musiker kommen nach Kleinich, auch Wissenschaftler aller Fachrichtungen wie Physiker, Astronomen, Psychologen und Vogelkundler. Bereits viermal, zwischen 1995 und 2000, haben sich laut Gündel die fünf Wirtschaftsweisen im Puppenstübchen, einem Nebenraum des Restaurants, getroffen. Die Sachverständigen, die für die Bundesregierung die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland bewerten, hätten dort ihre Gutachten beraten. Der Kontakt sei über den früheren Inhaber, Wolf Hoffmann-Wild, entstanden. Er habe mit einem der Wirtschaftsexperten studiert.
Hermann Lewen, Intendant des Mosel Musikfestivals, kommt seit 20 Jahren in die Einrichtung im Hunsrück. Er lobt Gündels Engagement: "Das ist ein gelebter Kulturtourismus, der dort still und leise, aber auch professionell auf hohem internationalen Niveau stattfindet."
Woher kommt diese Popularität des Landhauses bei Künstlern und Wissenschaftlern? Als Grund führt Gündel die lange Freundschaft von Mitgliedern der vorherigen Inhaberfamilie Hoffmann-Wild zur Verlegerfamilie Rowohlt an, die bis 2010 eine Mühle in einem Tal zwischen Götzeroth und Longkamp besessen hat (Kreis Bernkastel-Wittlich). Dadurch habe sich das Haus zu einem Treffpunkt der deutschen Kulturszene entwickelt. Die Treppenhäuser des Gebäudes hängen voll mit Bildern des aus Pommern stammenden Malers Bruno Müller-Linow, der 1955 Rektor der Werkkunstschule Trier wurde. "Wir haben hier die größte Sammlung von ihm", sagt Gündel. Für Gäste seien die Werke jederzeit zu besichtigen.
Operette und Konzerte

Wo Pianisten auf Physiker treffen
Foto: Christoph Strouvelle (cst) ("TV-Upload Strouvelle"
 Im Hotel Landhaus Arnoth im Hunsrück spielen Musik und Kunst eine große Rolle: Inhaber Udo Gündel zeigt Bilder des Malers Bruno Müller-Linow im Treppenhaus (unten links). Sopranistin Annette Postel (rechts unten, Bildmitte) trainiert die Stimme ihrer Kursteilnehmer. TV-Fotos (3): Christoph Strouvelle

Im Hotel Landhaus Arnoth im Hunsrück spielen Musik und Kunst eine große Rolle: Inhaber Udo Gündel zeigt Bilder des Malers Bruno Müller-Linow im Treppenhaus (unten links). Sopranistin Annette Postel (rechts unten, Bildmitte) trainiert die Stimme ihrer Kursteilnehmer. TV-Fotos (3): Christoph Strouvelle

Foto: Christoph Strouvelle (cst) ("TV-Upload Strouvelle"


Doch der Inhaber ist nicht nur Gastgeber für Künstler, er organisiert auch Veranstaltungen im Ort. So musizierte der Pianist Jens Schlichting zu Stummfilmen von Charlie Chaplin im Kleinicher Gemeindesaal. Und zu Silvester 2014 spielten dort Künstler vom Frankfurter Volkstheater unter der Leitung der Fernsehregisseurin Sylvia Hoffmann eine gekürzte Variante von Johann Strauß\' Operette "Die Fledermaus". "Ein köstlicher Abend und ein tolles Jahresende", schwärmt Lewen noch heute.
Auch jetzt schmiedet Gündel wieder Pläne: Für den kommenden Winter soll ein Schauspiel organisiert werden, und für 2016 schwebt ihm ein Konzert mit verschiedenen Künstlern vor, die jeweils ein anderes Instrument spielen.

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