Wonneproppen und Sorgenkind zugleich

TRIER. Wenn heute mit Orff'schem Schlagwerk-Donner die 7. Trierer Antikenfestspiele eröffnet werden, gehen die Gründerzeiten des Kultur-Festivals zu Ende. Die "Ära Kindermann" lieferte Theater-Spektakel vom Feinsten - auf der Bühne ebenso wie hinter den Kulissen.

Komödien und Tragödien, rauschende Siege und verheerende Debakel, Heldentaten und Meuchelmorde: Die fast zehnjährige Geschichte der Antikenfestspiele von den ersten Denk-Anstößen bis zur jüngsten Premiere ist reich an großen Momenten. Sir Peter Ustinov im Regen vor der Porta; Hildegard Behrens als atemberaubende Elektra; ein außer Rand und Band geratenes Star-Aufgebot beim großen Jux "Orpheus in der Unterwelt"; die grandiose Kulisse des Amphitheaters bei "Rienzi": Die Festspiele haben Eindrücke hinterlassen, die Trier prägen. Aber da waren auch die vor lauter Frust über Missmanagement abgereisten Luxemburger Philharmoniker; der hochnotpeinliche Ersatz-Caesar in der Arena; die alljährlichen Defizite bis 2001. Die Antikenfestspiele waren Wonneproppen und Sorgenkind zugleich, manchmal innerhalb weniger Tage. Als die Stadt Heinz Lukas-Kindermann Mitte der Neunziger Jahre nach Trier holte, waren es gerade seine Festspiel-Visionen, die man bewunderte. Als er wenig später konsequent an die Umsetzung ging, war im Rathaus längst manchem das Herz in die Hose gerutscht. Aber der Wiener realisierte sein Projekt mit der Unbeirrbarkeit einer Planierraupe, mal werbend, mal schimpfend, mal charmant, mal brachial, mal listig, mal tückisch - aber ohne den Hauch eines Zögerns. Wer im Weg stand, wurde überfahren: Drei entnervte Geschäftsführer, ein resignierter Kulturdezernent sowie eine kaputte GmbH säumten den Weg zum antiken Olymp. Ausgerechnet die Zwangs-Ehe des Festival-Chefs Kindermann mit Theater-Verwaltungsdirektor Werner Reichert bescherte schließlich die erfreuliche Erkenntnis, dass sich kulturelle Qualität und eingehaltene Finanzpläne keineswegs ausschließen müssen. Ein Erfolg, den die beiden einander in herzlicher Abneigung verbundenen Theatermacher getrost feiern könnten, müssten sie ihn nicht mit einem arg ramponierten Nervenkostüm bezahlen. Unterdessen hatte Kindermann aber auch Verbündete bei den Kaufleuten, Gastronomen und Touristikern gefunden, die wohl ahnten, dass sie mit dem Vorwärtsdrang der städtischen Kulturpolitik bis zum St. Nimmerleinstag auf eine Belebung ihrer antiken Stätten gewartet hätten. Die Außenwirkung und der Image-Gewinn konnten sich sehen lassen, das einheimische Publikum nahm die Festspiele an, freilich ohne für den ganz großen Massenandrang zu sorgen - dafür war das eisern durchgehaltene Motto "Antike Mythen in antiken Stätten" nie populär genug. Zwischen 10 000 und 15 000 Besucher kamen pro Saison, entscheidend beeinflusst durch die alljährliche Wetter-Lotterie. Es gelang zu keinem Zeitpunkt, eine tragfähige Schlechtwetter-Lösung zu finden, mangels entsprechender Faszilitäten - aber auch, weil der Intendant die Möglichkeit, es könne regnen oder frieren, bei seiner Planung ungern zur Kenntnis nehmen wollte. Die Nutzung der Basilika als einzig überzeugende, zum Thema Antike passende Alternativ-Spielstätte scheiterte an der Sturheit einzelner Kirchenfunktionäre. Die Wetter-Frage bleibt als Hypothek für den neuen Intendanten. Ansonsten hinterlässt Lukas-Kindermann ein eingeführtes, profiliertes und lebensfähiges Produkt, das längst nicht mehr in Frage gestellt wird. Den Gründer hat in den letzten Monaten die Frage umgetrieben, was dauerhaft von seinem Konzept übrig bleibt. Die Antikenfestspiele nach Kindermann werden andere sein. Aber sie werden sich an den von ihm gesetzten künstlerischen Maßstäben messen lassen müssen.

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