Wunder bei Mozart

Die "Figaro"-Inszenierung im Luxemburger "Grand Théâtre" räumt energisch mit Rokoko-Klischees auf. Was zunächst eindimensional anmutet entfaltet rasch den Kern von Mozarts Opernkunst.

 Szene aus dem 2. Akt: (von links) Figaro (Giorgio Caoduro), Graf (Daniel Teadt), Gärtner Antonio (Frédéric Caton) und die Gräfin ( Olga Pasichnyk). Foto: Theater Luxemburg

Szene aus dem 2. Akt: (von links) Figaro (Giorgio Caoduro), Graf (Daniel Teadt), Gärtner Antonio (Frédéric Caton) und die Gräfin ( Olga Pasichnyk). Foto: Theater Luxemburg

Luxemburg. Da sage noch jemand, Musik könne nichts verändern. Die Auftrittsarie zu m zweiten Akt von Mozarts "Figaro" - und im voll besetzten "Grand Théâtre" Luxemburg schlägt die Stimmung um. Dass Vincent Boussards Inszenierung zu Anfang allzu unvermittelt in grimmigen, fast bissigen Ernst mündete, dass das "Concerto Köln" unter Andreas Spering zwar mit forschem Gesamtklang antrat, aber die Instrumentalfarben in Mozarts Musik untergehen ließ - wen kümmert es noch! Olga Pasichnyks Gräfin singt sich mit einer wunderbar schlanken, farbenreichen Tongebung ihre Trauer über die eheliche Entfremdung von der Seele. Und die beiden Klarinetten im Orchester verbreiten den Ausdruck von Sehnsucht und zugleich einen Beiklang von Schäfer-Idyllik. Endlich sind alle Details da, die Mozarts große Oper so reich machen. In dem Maß, in dem sich der "Figaro" vom Buffo-Schema löst, streift die Inszenierung auch alles Eindimensionale ab.Glanzvolles Sängerensemble

Boussards Regie kommt ohne Verspieltheit aus. Trotz sachter Rokoko-Andeutungen bleibt das Einheitsbühnenbild (Vincent Lemaire) zeitlos. Was im "Figaro" geschieht, die Schachzüge der Untergebenen gegenüber dem Statthalter der Macht und seinen Handlangern, könnte immer und überall passieren. Graf, Gräfin, Figaro und Susanna sind gleichaltrig. Sogar die Standesunterschiede werden von der Kostümierung (Christian Lacroix) nivelliert. Immer wieder hebt die Regie hervor, worum es Mozart wirklich geht: Um die Integrität und persönliche Freiheit von Figaro und Susanna, Graf und Gräfin, ja sogar Marcellina und Bartolo, die sich vom Intrigantenpaar zu Verfechtern reiner, unverbildeter Menschlichkeit entwickeln. Zur perfekten szenischen Deutung gesellt sich ein glanzvolles Sängerensemble. Der heldisch hell klingende und doch flexible Giorgio Caoduro die knabenhaft schlanke Katija Dragojevic, Olga Pasichnyk, die in ihrer zweiten Arie sogar einen heroischen Beiklang in ihre Stimme mischt - sie sind für Figaro, Cherubino und Gräfin Idealbesetzungen. Was Sophie Karthäusers Susanna an Durchschlagskraft fehlt, ersetzt sie durch Nuancierungen Daniel Teadt gibt dem Graf mit einem jugendlich-seriösen Tonfall Machtbewusstsein mit. Der klein besetzte Arnold-Schönberg-Chor bezieht zu ausschlagendem Soprantremolo wohltuende Distanz und klingt doch präsent und professionell.Andreas Sperings gestenreiches Dirigat balanciert die Ensembles und das Orchester, das in der sensiblen Begleitung die größten Qualitäten entwickelt, perfekt aus. Helle Begeisterung im Saal. Weitere Vorstellungen am 10. und 12. Oktober, 20 Uhr, und am 14. Oktober, 15 Uhr.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael Bolton Vom erwischt werden
Aus dem Ressort