Wunderkammer-Dialoge

KÖLN. 150 Jahre wird das Erzbischöfliche Diözesanmuseum Köln alt. Grund genug für das Haus zu einer Ausstellungen mit den Prunkstücken der Sammlung.

Klein und fein, im Schatten von Dom undRömisch-Germanischem Museum gelegen, mag man zunächst an dieZielgruppe "christlich geprägtes Bildungsbürgertum" denken.Katharina Winnekes, Kuratorin am Erzbischöflichen DiözesanmuseumKöln, sieht die heutige Aufgabe der in diesem Jahr 150Jahre alt werdenden Museumseinrichtung recht anders: "Es gehtheute nicht mehr darum, weiterhin Kreuze anzuhäufen,sondern um existenzielle Fragestellungen, die man hier vor einemchristlichen Hintergrund reflektieren kann. UnserVermittlungsansatz will unterschiedlichsteBesucher-Erfahrungen mit einbringen." So stand etwa 1995 ineiner Ausstellung ein Garderobenständer vor einer goldenenWand ("Tragedia Civile" von Jannis Kounellis) nebeneinem gotischen Ecce-Homo-Relief: Spuren und Hinterlassenschaftenvon Menschen werden neu angesprochen, nicht minder dasUnterwegssein, gerichtet auf Endlichkeit oder Ewigkeit, aufLeiden, Erlösung.Napoleon war an allem schuldEin wenig Chroniksei dennoch erlaubt. Nicht zuletzt als Folge dernapoleonischen Säkularisierungen und des Verschwindensgewichtiger Kirchenkunst in Privatsammlungen wurde 1853 ein"Verein für christliche Kunst im Erzbistum Köln" gegründet, dervor allem den zeitgenössischen Künstlern ästhetische Vorgabenbereitstellen wollte, um so gute Kirchenkunst zu fertigen. UndVorgabe hieß in diesem Fall, ganz im Sinne dernachromantisch-biedermeierlichen Epoche: Mittelalter. Ohne eigeneRäumlichkeiten zu haben, wurde gesammelt, einiges ausPrivatbesitz zurückgeholt, wobei schon 1857 eine ehemaligeZuckerfabrik in unmittelbarer Domnähe museal hergerichtet wurde:der heutige Roncalliplatz 2. Ein Aufruf an dieBistumspfarreien, Dinge, die nicht mehr in Funktion seien, zurVerfügung zu stellen, ließ die Museumskollektion weiter wachsen.Nicht nur, wie der Zugriff Hermann Görings auf Stefan LochnersGemälde "Die Madonna mit dem Veilchen" im August 1944 trickreichverhindert werden konnte, auch weitere Geschichte undGeschichten vermittelt ein ungemein kurzweilig und intelligentgemachtes Museumsmagazin zum 150. Jubiläum des KölnerDiözesanmuseums - und dies zu einem wahrhaftchristlichen Euro-Preis von 150 Cent. Erst 1989 ging dieTrägerschaft des Museums vom christlichen Kunstverein in die desErzbistums über. Damit verbunden war ein neues offenes Konzept,das die kirchenspezifischen Kunstobjekte und rituellenGegenstände zunehmend in einen erweiterten Kunstzusammenhangstellte und auch die Ankaufspolitik reformierte(siehe Kounellis), dies verbunden mit kunstspezifischenDiskussionen in unterschiedlichsten Kirchengremien des Diözese.Museums-Verantwortung trugen nicht mehr geistliche Männer,sondern nunmehr Kunsthistoriker(innen!). Fluxus-Kästen, gefülltmit LebensdokumentenDie derzeitige Jubiläumsausstellung "Schenkungen - eine Auswahl aus 150 Jahren" präsentiert in konzentrierter Form diesen anderen Blick, derverstärkt Betrachtung verlangt. Da finden etwaWunderkammer-Dialoge statt zwischen einer zeitgenössischenBlütenform Leiko Ikemuras und einem Elfenbeinkruzifix des12. Jahrhunderts: Leben und Tod, Werden und Vergehen. In anderenFällen geht es um die Grundhaltung von Sensibilität, die ebennicht nur bei der Wahrnehmung blauer Farbtafeln erforderlich ist.Oder etwa Paul Theks schrille Fluxus-Kästen, angefüllt mitLebensdokumenten, darauf zwei Bierflaschen und Abgüsse dereigenen Füße. Was ist aufhebenswert an Reliquien des Lebens? Wasbleibt? Und - bergen die Reliquienschreine des Mittelalters, inunmittelbarer Nachbarschaft platziert, ein größeres Maß anBedeutung? Ab 2005 wird sich sogar der Name des "ErzbischöflichenDiözesanmuseums Köln" verändert haben in "Kolumba"- und zwar wenn der bereits in fortgeschrittener Arbeitbefindliche Neubau in den Ruinen-Bauzusammenhang einerspätgotischen Kirche, die im Zweiten Weltkrieg zerstörtwurde, gleichsam "eingehaust wird", so KatharinaWinnekes: "Die Ablesbarkeit von Geschichte an diesem Ortwollen wir unbedingt erhalten, bis hinein in die Geräusche diesesOrts." Daher wurde das Gurren und Geflatter der Tauben, die bisvor kurzem noch das Ruinengelände bevölkerten, auf Tonbandkonserviert. Sie werden die Seherfahrungen künftiger Besucherakustisch als museale Hintergrundmusik in "Kolumba" (lat.Taube) begleiten. Bis 13. Juli, tägl. außer Donnerstag 11- 18 Uhr; Informationen: www.kolumba.de hpl

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