Zauberhafte Stille

Für das "Orchestre Philharmonique" ist deutsche Romantik ein eher ungewohntes Terrain. Im Eröffnungskonzert der Saison wagten sie sich mit großem Ernst, enormer Konzentration und glänzenden Resultaten an Mendelssohn und Schumann.

Luxemburg. (mö) Kein Zögern, kein Schwanken, keine bangen Forcierungen: Das "Orchestre Philharmonique du Luxembourg" baut die Einleitung von Schumanns "Manfred"-Ouvertüre plastisch, sicher, konzentriert und in der Dynamik differenziert auf, und Dirigent Emmanuel Krivine modelliert einen nahtlosen, spannungsreichen Übergang zum schnellen Hauptteil. Die Luxemburger, die zum zweiten Mal einen Saisonstart mit deutscher Romantik wagen, sie bewegen sich auf diesem - nein nicht fremden, aber doch weniger vertrauten Terrain mit ihrer ganzen künstlerischem Energie.

Auch wenn manchen Forte-Passagen noch die Intensität und dem lyrischen Seitenthema die Innigkeit fehlen mochten - Krivine und seine Luxemburger entfalten eindringlich die düstere Egozentrik, die Schumann in dieser Komposition beschwört, und lassen im langsamen Schlussteil eine fatalistische Trauer mitklingen, die beim Zuhören tief berührt.

Und noch etwas gelingt den Luxemburgern. In Schumanns viel zu selten gespieltem, bedeutenden und hochvirtuosen "Konzertstück für vier Hörner und Orchester" besticht nicht nur die beachtliche Qualität der Sologruppe (Miklos Nagy, Kerry Turner, Marc Bouchard, Patrick Coljon). Emmanuel Krivine hat zudem die vier Hornisten und das Orchester sorgfältig aufeinander abgestimmt und damit realisiert, was wesentlich zum "deutschen Stil" gehört: die Integration unterschiedlicher Elemente, die Verflechtung von Soli und Orchester zu einer vielgestaltigen, in immer neuen Facetten leuchtenden Einheit. Und dann - endlich einmal! - Mendelssohns viel zu selten gespielte, wunderbare Musik zu Shakespeares "Sommernachtstraum". Wieder bleibt etwas von der Mühe spürbar, die das Werk die Musiker gekostet hat.

Den Streichern fehlt zu Beginn die Präzision, die nötig wäre für die elfenhafte Zartheit des Hauptthemas, und vielleicht hätte auch eine kleinere Besetzung nicht unbedingt geschadet. Aber die Bläser liefern Bravourstücke an Reinheit und Präzision. Sprecher André Jung vermittelt nach undeutlichem Beginn nicht nur die Poesie, sondern auch die gelassene Komik der Shakespeare-Texte. Sandrine Piau, Sopran, und Deanne Meek, Alt, singen die Soli deutlich im Text, dabei schlank und ohne belcantistische Fülligkeit, und die Damen des exzellenten Rias-Kammerchors glänzen mit kammermusikalischer Dezenz und sind doch akustisch ganz präsent. Emmanuel Krivine findet Tonfall Mendelssohns - Musik, die leichtfüßig spielt, versonnen träumt, repräsentativ auftrumpft und sich am Ende in die zauberhafte Stille zurückzieht, die zu den großen Themen deutscher Romantik gehört: Respekt und Anerkennung im Publikum.

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