Zehn gehen weg - Dahin zieht es die Trierer Schauspieler

Trier · Zehn Mitglieder des Schauspielensembles verlassen das Theater Trier und ziehen weg.

Nach zwei enorm spannenden Jahren, die dem Schauspiel des Theaters Trier Spiellust, frischen Wind, engagierte Kunstdebatten und namhafte Regisseure bescherten, darunter Christina Friedrich ("Zauberberg"), Thorleifur Örn Arnarsson ("Molière"), Alice Buddeberg ("Caligari", "Happy Hour") oder Marco Storman ("Wintermärchen"), heißt es jetzt Abschied nehmen. Gemeinsam mit Schauspieldirektor Ulf Frötzschner verlassen zehn Schauspieler des zwölfköpfigen Ensembles, die mit dem Schauspielchef nach Trier gekommen waren, das Theater.

Die scheidenden Spieler sehen für sich im Haus am Augustinerhof keine künstlerische Perspektive mehr. Wie Ensemblesprecherin Nadia Migdal in einem Interview mit der Zeitschrift Bühnengenossenschaft feststellte, fehle es weithin im Haus an der Bereitschaft zur "produktiven Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Ästhetiken, Stilen und Regiesprachen". Eine Bereitschaft, die gleichermaßen unverzichtbar für die Entstehung von Kunst wie für ein demokratisches Miteinander sei.
Die zehn Schauspieler, die von sich aus ihre Verträge nicht verlängert haben, sind inzwischen zu neuen Ufern aufgebrochen, die Mehrheit in Engagements im In-und Ausland, drei in die freie Arbeit.

Julian M. Boine: Der Schauspieler, der an der Hochschule der Künste Zürich (ZHdK) studierte und dort bereits am Schauspielhaus arbeitete, fiel in Trier gleich zu Beginn als ergreifender Hans Castorp in Thomas Manns "Zauberberg" auf. Derzeit probt Boine (Foto: privat) am Schweizer Theater Solothurn "Das Heilige Experiment" von Fritz Hochwälder. Neben der Theatertätigkeit will der gebürtige Dortmunder sich künftig verstärkt Film- und Fernsehen widmen.

Claudio Gatzke: Für den Westfalen, der ebenfalls an der ZHdK studierte und in Trier neben anderen Rollen als Franzis in "Das Cabinet des Dr. Caligari" und als Naphta im "Zauberberg" brillierte, war Trier nach Klagenfurt die zweite Theater-Station. Der mehrfache Preisträger (Foto: privat) ist ab der Spielzeit 2017/18 Ensemblemitglied des Theaters Ingolstadt. Als erstes ist er dort in "Das lange Nachspiel einer kurzen Mitteilung" von Magne van der Berg zu sehen.

Gina Haller: Nach Norden hat es die in Basel geborene Schauspielerin verschlagen, die an der Hochschule der Künste Bern studierte (Foto: privat). Die Künstlerin, die in Trier unter anderem als Gretchen in Goethes "Faust" rührte, ist ab der neuen Spielzeit Ensemblemitglied am Theater Bremen. Dort wird sie ihre erste Rolle in Alize Zandwijks "Fremdes Haus" spielen.

Juliane Lang: Die an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin ausgebildete Schauspielerin kam (Foto: privat) vom Luzerner Theater an die Mosel. Sie überzeugte gleichermaßen als Dr. Caligari wie als Petra in der Uraufführung "Happy Hour" von Lothar Kittstein. Ab der Saison 2017/18 ist sie Ensemblemitglied des Staatstheaters Saarbrücken. Als erstes ist sie dort als Sittah in Ephraim Lessings "Nathan der Weise" zu sehen.

André Meyer: Der vielfach ausgezeichnete Schauspieler, der vom Wiener Burgtheater nach Trier wechselte, brillierte hier als Mephisto in Goethes "Faust". Der gebürtige Hamburger, der an der Hochschule der Künste Berlin studierte und unter anderem mit Regie-Legende Peter Zadek zusammenarbeitete, ist ab der nächsten Spielzeit Ensemblemitglied am Schauspiel Frankfurt. Als erste Rolle spielt Meyer (Foto: Birgit Hupfeld) dort den Tambourmajor in Georg Büchners "Woyzeck".

Nadia Migdal: Ob als quirlige Miss Fix, die "In 80 Tagen um die Welt" saust oder als Präsidentin in Werner Schwabs Stück: Nadia Migdal (Foto: Max Eicke) begeisterte in Trier immer wieder durch künstlerische Gestaltungsvielfalt. Die Ensemblesprecherin, ebenfalls Absolventin der ZHdK, die vor Trier unter anderem am Wiener Burgtheater arbeitete, will künftig wieder frei arbeiten. Als erstes dreht sie in den kommenden Monaten die nächste Staffel der SAT. 1-Serie "Knallerkerle".

Christian Beppo Peters: Der Schauspieler, der an der Akademie für Darstellende Kunst Ulm ausgebildet wurde, beeindruckte auch in Trier durch seine spielerische wie sprachliche Vielseitigkeit. Umwerfend war sein Tartuffe im Molière. Der Augsburger (Foto: privat), der vor Trier unter anderem am Landestheater Tübingen und am Theater Aachen arbeitete, kehrt nach 13 Jahren in seine Heimatstadt zurück. Er will künftig frei arbeiten und sich verstärkt seiner anderen großen Leidenschaft, der Musik, widmen. Nicht zu vergessen die Fußballpassion des Fanclub-Mitglieds des FCA, der hofft, in Zukunft mehr Zeit zu haben, um "live Fußball zu gucken".

Ronja Oppelt: Ebenfalls aus Zürich, wo sie an der ZHdK studierte, kam Ronja Oppelt (Foto: Reiner Nicklas) nach Trier. Als radikale muslimische Anwältin schreckte und faszinierte sie in "Schwarze Jungfrauen" von Feridun Zaimoglu und Günter Senkel, einer ihrer letzten Rollen in Trier. Ab der neuen Spielzeit ist die Schauspielerin Ensemblemitglied am Theater Oberhausen. Dort debütiert sie in Mario Salzars "Schimmelmanns - Verfall einer Gesellschaft"

Gitte Reppin: "Erst einmal Luft holen" und frei arbeiten will die Schauspielerin, die an der Otto-Falckenberg-Schule in München studierte und von dort direkt von Claus Peymann ans Berliner Ensemble engagiert wurde. Die Künstlerin (Foto: privat), die in ihrer letzten Trierer Rolle eine umwerfende "Präsidentin" im Stück von Werner Schwab war, wechselt aus privaten Gründen nach Bayern.

Tilman Rose: In der nächsten Zeit will der Schauspieler, der an der Universität der Künste in Berlin studierte und vom Staatstheater Mainz nach Trier kam, frei arbeiten, derzeit in Wiesbaden und Bielefeld. In Trier machte Rose (Foto Daniel Feistenauer) zuletzt unter anderem als jugendlich gelehrter Faust auf sich aufmerksam.

Schauspieldirektor Ulf Frötzschner selbst kann sich aus vertraglichen Gründen zu seiner aktuellen Situation noch nicht äußern.

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