Zickenkrieg der Königinnen

Experiment gelungen. Mit dem zeitgenössischen Bühnenwerk "Ulrike Maria Stuart" der Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, inszeniert vom Theater Freiburg, hat das Trierer Theater eine neue Besuchergruppe erschlossen: Mehr als 300, meist junge Menschen sahen das fulminante Sprachkunstwerk im Rahmen des Festivals "Maximierung Mensch".

Trier. (mehi) Sie reden und reden. Ohne Pause, ohne Punkt und ohne Komma. Selbst im Schweigen wird gesprochen. Eigentlich ist das Stück "Ulrike Maria Stuart" von Elfriede Jelinek, der Literatur-Nobelpreisträgerin von 2004, ein Monolog. 100 eng geschriebene Seiten lang. Ein Monolog für fünf Personen, die mit- und später nur noch gegeneinander kämpfen, sich regelrecht mit Worten bekämpfen, bis sie letztendlich der Sprachlosigkeit verfallen.Am dritten Tag des Theaterfestivals "Maximierung Mensch" stehe die Maximierung der politischen Ideale und wo sie hingeführt haben, erklärt Festival-Leiter und Theater-Chefdramaturg Peter Oppermann bei der Werkseinführung im Vorfeld. In ihrem Stück verschneidet Jelinek die Figur von RAF-Terroristin Ulrike Meinhof mit der Maria Stuarts aus Schillers Drama; die der Gudrun Ensslin mit Elisabeth I. von England. Augenscheinlich wird dies im Königinnenduell, als die beiden in Tudor-Kleidern miteinander streiten, während sich die nackte Greisin (Ariane Andereggen) mit Tafeln voller Jelinek-Zitaten zu bedecken versucht. Sie spielt zudem den Hofnarr mit Clownsgesicht - hilflos, moralisierend; die Stimme des Volkes mit Weisheiten aus einer anderen Welt.Das Bühnenbild müssen sich die Schauspielerinnen selbst zurecht rücken - der Bundestag der 60er Jahre. Ein Ort der Demokratie, des Volkes, "das gar nicht mehr da ist", wie Ensslin (Johanna Eiworth) am Rednerpult in Politikermanier deklariert. Rechts und links davon zwei Kasperletheater, aus denen die ungleichen Prinzessinnen (Bettina Grahs und Maria Kwiatkowsky) im rosa Tutu und mit Krönchen im Haar slapstickartig ihre Kommentare abgeben. Sie verkörpern die Meinhof-Zwillinge, die görenhaft nach Mamis Aufmerksamkeit plärren. Doch die intellektuelle Vordenkerin und anfangs überzeugte Terroristin fängt an zu zweifeln. Ensslin/Elisabeth steht ihr mit beängstigendem Fanatismus gegenüber. Aus dem politischem Kampf gegen den Konsumterror wird ein persönlicher Krieg um die Macht. Ausschnitte aus der Vergangenheit

In der Freiburger Inszenierung von Regisseur Michael Simon und Dramaturgin Inga Schönau fließen auch Fremdstücke mit ein; so Jelineks "Sprech-Wut"-Text am Ende des Stücks und ein Auszug aus dem Stammheim-Gerichtsprotokoll. Andreas Baaders Wunsch nach Prozess-Ausschluss stellen die Prinzessinnen als erotische Verführung von Richter Prinzing durch Baader dar. Jelinek will die RAF-Geschichte nicht aufarbeiten. Sie sammelt Ausschnitte aus der Vergangenheit, verwurstet Schiller-, RAF-Texte und Jelinek-Sprache, um politische Mythen zu entlarven. Dies tut sie wortreich und wortgewandt, humorvoll und ironisch. Die Energie dieser Worte tragen die Schauspielerinnen bis auf den letzten Platz, wofür sie von den mehr als 300 Zuhörern lang anhaltenden Applaus ernten.

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