Zurück im Nirgendwo

LUXEMBOURG. Ein Hauch von Jugend, ein Sturm von Erinnerungen: Sänger Brian Molko meldet sich mit seiner Band Placebo vor 4000 Zuschauern eindrucksvoll in seiner früheren Heimat Luxemburg zurück.

Ohne Luxemburg wäre aus Brian nichts geworden. Kein Rockstar und kein Trendsetter. Wohl noch nicht einmal Millionär. Da braucht man sich gar keine Illusionen zu machen. Placebo-Sänger Molko, mittlerweile 30 Jahre alt, hat sein halbes Leben in diversen "Ländchen" verbracht. Mal im Libanon, mal in Liberia, später viele Jahre in Luxemburg: Brians Vater, gut situiert amerikanischer Banker, hat die Familien-Wohnsitze wohl nur scheinbar nach dem Alphabet ausgewählt. Eins war aber klar: Brian sollte Banker werden. Egal, ob in Litauen, Lesotho oder Liechtenstein. Dienstagabend, kurz nach elf Uhr. Molko steht auf der Bühne in der Eissporthalle Kockelscheuer, nur ein paar Kilometer von seiner alten Privatschule für reiche Ami-Kinder entfernt. Der Sänger und Gitarrist parliert in französisch, mehr als nur ein Andenken an seine zeitweilige "Zwangs-Heimat". Aus dem Einzelgänger ist ein Entertainer geworden, kein Banker - sein Kontostand dürfte den Vater aber versöhnen. 4000 verschwitzte, glückliche Fans feiern Molko, Bassist Stefan Olsdal (der ebenfalls seine Jugend in Luxemburg verbrachte) und Schlagzeuger Steve Hewitt. Über 90 Minuten lang schwitzt sich das in England beheimatete Trio durch Schwermut ("With-out You I'm Nothing", "Centrefolds") oder eingängige Leichtigkeit ("Slave to the Wage", "Every You, Every Me"). Markenzeichen ist der hohe, zwar nicht sehr kraftvolle Gesang von Molko, bei dem aber scheinbar jede Silbe nach Sehnsucht, Wut und Schmerz schreit. Man ahnt, wo das herkommt. Hätte es damals Molkos Nomadentum nicht gegeben, die Orientierungslosigkeit, das Außenseiter-Dasein des tapfer geschminkten 17-jährigen Brian in der ungeschminkten Kleinstadt-Realität - wahrscheinlich wäre aus ihm nie der zerrissene, zweifelnde, kleine und großartige Rockstar geworden, der mit Placebo nun schon seit sieben Jahren die Hallen füllt. Erst die mittleren, nach dem Erfolg von "Sleeping With Ghosts" auch die großen. Als 17-Jähriger verließ er Luxemburg in Richtung London mit viel Hedonismus, Make Up und großen Erwartungen im Gepäck. Zurück in Luxemburg, in "Nowheresville" (dem "Nirgendwo-Dorf", wie Molko seine frühere Heimat vor Jahren einmal genannt hat), zeigt er, dass sein Weg der richtige war. Brian Molko klammert sich ans Mikro, sein weißes Hemd klebt am schmächtigen Körper, die Stimme fleht: "Protect me from what I want" - die Strophen des neuen Stücks singt er auf französisch. Hätte sein Vater den damals 17-jährigen Brian besser vor dessen Willen schützen können? Dann wäre Molko vielleicht nie weg gegangen, ein Star geworden, zurück gekommen. Manchmal ist es schon besser, dem eigenen Willen zu vertrauen

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