Zurück zu den Wurzeln

Esch · Jazz-Bassist Marcus Miller, der seit seiner Zusammenarbeit mit Miles Davis Anfang der 1980er Jahre Weltruhm genießt, hat mit seiner Band in der Rockhal Esch ein grandioses Konzert gegeben. Im Mittelpunkt stand sein aktuelles Album Afrodeezia.

Esch. Vitalität und mitreißende Kraft verströmt die Musik von Marcus Miller und seinen sechs Bandkollegen von Anfang an. Unmöglich, sich ihrer Magie zu entziehen, noch unmöglicher, nicht in Bewegung und freudige Stimmung zu geraten. Das Konzert beginnt bezeichnend mit dem Titel "Hylife" und Rhythmen, die Miller, unterstützt vom Perkussionisten Mino Cinelu und dem Schlagzeuger Louis Cato, einem westafrikanischen Musikstil entlehnt hat. Später folgen wunderbar temperamentvolle Nummern mit brasilianischem oder karibischem Einschlag.Mixtur aus Soul, Jazz und Blues


Die weltmusikalische Ausrichtung von Millers neuer CD "Afrodeezia" kommt nicht von ungefähr. Den 55-jährigen US-Bassisten haben seine Reisen als "Artist For Peace" und Sprecher des Slave Route Project der Unesco inspiriert, sich mit den Wurzeln der afroamerikanischen Kultur und damit seinen eigenen zu beschäftigen. Er hat den Einflüssen, die die ehemaligen Sklaven auf der Route von Afrika in die Karibik nach Südamerika bis in die Südstaaten der USA hinterlassen haben, nachgespürt und sie zu einem herrlich farbenfrohen musikalischen Kaleidoskop verdichtet.
Die einzelnen, langen und äußerst abwechslungsreichen Instrumental-Stücke mischen authentische Wurzeln mit den Stilen wie Blues, Soul oder Jazz, die sich später daraus entwickelt haben. Aus dem durchweg großartigen Programm Höhepunkte zu filtern ist schwer, aber einer ist sicher die Neuinterpretation des Soulhits "Papa was a Rolling Stone" von den Temptations. Das ist Rhythmus und Groove pur, bereichert durch eine tolle jazzige Note über beeindruckende Soli von Alex Han (Saxophon) und Lee Hogans (Trompete). Miller selbst zeigt hier seine atemberaubende technische Virtuosität, indem er gleichzeitig die markante Basslinie spielt und dazu improvisiert.
Gut kommen auch "Tutu", eine Hommage an Miles Davis, oder "Son of Macbeth" an, eine Nummer im Calypso-Rhythmus, die ihre Spannung aus dem Kontrast erdiger Perkussion mit von Adam Agati geradezu hingepeitschtem E-Gitarren-Rock bezieht.
Zur guten Stimmung im Saal trägt Millers gewinnende Freundlichkeit bei. Er würdigt seine jungen Bandmitglieder mit Respekt, spricht Französisch mit dem Publikum und lässt sogar einen zwölfjährigen Jungen auf die Bühne, um in einem Stück Solo-Gitarre zu spielen.
Aber was die Essenz dieses Abends ausmacht, wird im Titel "Gorée" am dichtesten transportiert. Geschrieben hat ihn Miller, nachdem er ein Sklavenhaus besucht hatte und ihm bewusst wurde, dass hier für viele Menschen das Ende ihres bislang normalen Lebens, aber damit auch der Anfang der afroamerikanischen Erfahrungen gekommen war. Das Stück beschreibt in Moll, mit getragenem Klavier von Brett Williams und lyrischer Bassklarinette von Miller, zunächst deren Leid und den Schmerz. Dann werden Töne lichter und Rhythmus schneller, bis die Fröhlichkeit siegt. Musik als stärkende, lebenspendende und verbindende Kraft, das ist Millers Botschaft an diesem Abend. ae

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