Zwischen Amüsement und Verzweiflung

Trier · Der Insider-Charakter der Trierer Produktionen von Menottis "Telefon" und Poulencs "Menschlicher Stimme" war nicht zu übersehen; sicherlich ein Drittel der rund 60 Besucher im Saal des Kasinos am Trierer Kornmarkt, der neuen Nebenspielstätte, kam aus Theater- oder sonstigen Veranstalterkeisen. Sie erlebten ein Wechselbad zwischen zahnlosem Ulk und eindringlicher Gefühlstiefe.

Trier. Die Reihenfolge der Stücke ist vielleicht unüblich. Aber wie sich an der doppelten Opernpremiere im Kasino zeigte, hatte das Trierer Theater gute Gründe, Gian Carlo Menottis "Telefon" zuerst zu spielen und danach Francis Poulencs "Menschliche Stimme".
Vielleicht gehört zu Menottis Zwei-Personen-Stück etwas mehr szenischer Aufwand als sich im Kasino-Saal realisieren ließ. Regisseurin Jana Höpfner widerstand tapfer allen Aktualisierungsversuchungen. Das Telefon, an dem sich die Kommunikationsfreude der weiblichen Figur austobte, hatte Schnur und Wählscheibe, und über die ganze Szenerie pusteten die Ausstatterinnen Kathrin Gerheuser (Bild) und Carola Vollath (Kostüme) den Staub der Fünfziger.
Konzentration aufs Musikalische


Spannender wird dieses Stück dadurch allerdings nicht. Wenn der Freund nicht zum Heiratsantrag kommt, weil der Dame das Telefon wichtiger ist, dann transportiert die Situationskomik auch noch das ärgerliche Klischee von der weiblichen Schwatzsucht. Wie gut, dass Evelyn Czesla und Amadeu Tasca sich auf die musikalischen Seiten des Einakters konzentrierten.
Tasca gab dem verhinderten und am Ende doch erfolgreichen Liebhaber neben der rollengerechten Mischung aus Erstaunen und Frustration auch baritonale Kultur und perfekte Sprachdeutlichkeit mit. Evelyn Czesla dagegen ließ die Sprache einfach Sprache sein - das meiste erklärt sich ohnehin aus Gestik und Situation - und setzte auf Stimmklang. Da zeigte sie sich bei Lyrik, Koloratur und Dramatik in der Stimme gleichermaßen sattelfest.
Aber weder die Regie noch die Sänger noch Christoph Jung, der sichere Begleiter am (verstimmten) Klavier - niemand von ihnen fand einen Ansatz, um diesem Stück die Harmlosigkeit auszutreiben. Wie im dritten Akt des Rosenkavaliers: "Eine Farce, und weiter nichts." Klar, dass das Theater die Besucher damit nicht nach Hause schicken wollte.
Das zweite, das Hauptstück an diesem Abend war von anderem Kaliber. Wie Arnold Schönbergs thematisch vergleichbares Monodram "Erwartung" geht Poulencs Einakter "Die menschliche Stimme" an seelische Grenzen. Das Telefon wird zum Medium eines verzweifelten Kommunikationsversuchs - eine Frau, die den ehemaligen Geliebten aus der Ferne beschwört und zwischen berückender Zärtlichkeit, angestrengter Überredungskunst, sanften Verlockungen, bewusstem Missverstehen, Hoffnung, Verzweiflung und schließlich Resignation alles aufbietet, was Menschen in solchen Situationen ausdrücken können.
Was für eine heikle Aufgabe für die Sängerin! Und was für eine großartige Evelyn Czesla! Sie realisiert die extrem schwierige Partie sängerisch perfekt und in der Darstellung mit einer anrührenden Hingabe, und bei Begleiter Christoph Jung sind auch die schrillen Töne dieser expressionistisch bizarren Musik in besten Händen. Gerade in Rollen wie dieser, die nicht die große Stimme verlangen, sondern die szenisch-musikalische Intelligenz, entwickelt Czeslas Sopran Beweglichkeit, Nuancenreichtum und eine wunderbare Emotionstiefe. Und jetzt hat auch ihre Sprache Deutlichkeit und Prägnanz.
Gerhard Webers Inszenierung konzentrierte sich ganz auf die sensible Personenführung, und Bühnenbildnerin Gerheuser (Kostüm wieder Carola Vollath) verdeutlichte die emotionale Situation der Figur mit einer präzise ausgefeilten Beleuchtungsregie.
Wenn die Verlassene am Ende resignierend zu Boden sinkt, dann taucht das Licht sie in schmutziges Grün. Von der euphorischen Liebe ist nur noch eins geblieben: die kalte, hässliche, deprimierend illusionslose Wirklichkeit.

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