Zwischen Exaktheit und Ästhetik

TRIER. Zur Landesgartenschau spielt auch die Stadtbibliothek im Konzert der Aussteller mit. Ihre Schau historischer Gartenbücher glänzt mit seltenen Schätzen - die meisten aus eigenen Beständen.

Die Landesgartenschau naht. So begann auch die Stadtbibliothek, ihr Terrain auszuforschen und stieß auf erstaunliche Schätze. Sie sind seit heute in der Ausstellung historischer Gartenbücher zu sehen. Zur Eröffnung priesen OB Schröer und ADD-Präsident Mertes unisono die "unschätzbaren Werte", die da wieder entdeckt worden sind. Sie bedankten sich bei den Ausstellungsmachern, allen voran Anne Boeck und Hans Reichert, erwähnten die Städte Koblenz, Metz und Luxemburg, die Leihgaben beisteuern und bedachten auch die Katalogentwürfe von FH-Studenten unter Leitung von Prof. Angela Kuenne mit einer anerkennenden Fußnote. Manfred May und der Trierer Kinderchor sorgten für die erfrischende Musik-Umrahmung. Der Besuch der Schau lohnt sich. Selbstverständlich hat der nicht vorhandene Etat dazu geführt, dass man nicht gerade nach den neuesten Maximen der Ausstellungstechnik vorgehen konnte. Und doch lassen sich die Schönheiten bei einigem Hinsehen und mit Hilfe des ausgezeichneten Katalogs leicht erschließen. Da zeigt sich dann, wie viel Interesse und Sorgfalt in den Gartenbüchern des 16. und 17. Jahrhunderts an den Tag kommen. Feinste Strukturdarstellungen, zum Teil handkoloriert, Schnitte durch den Pflanzenkörper, Abbildungen von Samen und Früchten - manchmal auch, mangels eigener Erfahrung, reine Fantasie. Und selbstverständlich hat man schon früh, und verstärkt nach der Erschließung des amerikanischen Kontinents, Wert auf die Darstellung exotischer Pflanzen gelegt. Die zählen heute meist zur heimischen Flora. Der Katalog versieht die Abbildungen mit Gedichten. Poetisch indes sind die Gartenbücher nie. Da geht es um Anderes: um Entdeckerfreude, um den Wunsch zu ordnen und zu systematisieren, manchmal auch um Gartenarchitektur. Streng genommen ist nichts davon Kunst. Aber welch fein stilisierte Meisterwerke hat dieser Wunsch nach Genauigkeit hervorgebracht! Meisterlich verbunden sind Exaktheit und Ästhetik in den Rosenbildern des Kabinettmalers am französischen Hof, Pierre Joseph Redouté, die heute noch Jahr für Jahr Kalender zieren. Sie werden, teils im Faksimile, teils im Original in einer eigenen Vitrine gezeigt. Eine ganz andere Welt eröffnet sich in den Pflanzeninitialen mittelalterlicher Handschriften. Die sind nicht Abbildungen, sondern Dokumente religiöser Innenschau - mystisch in sich verschlungen, Ornamente zum Nachdenken und Einfühlen. Insgesamt war der Garten für die meisten Buchautoren und sicher auch die Leser, die sich die Anschaffung leisten konnten, eine theoretische Angelegenheit. Praktische Gartenbücher sind in der Ausstellung erst aus dem 19. Jahrhundert dokumentier. Davor fand der Gartenbau für die Oberschicht gewissermaßen im Kopf statt. Eine Spezies fehlt in den teils naturwissenschaftlichen, teils idealisierenden Abbildungen nämlich völlig: das Unkraut, des Gärtners Last. In den besseren Kreisen befasste man sich mit Ästhetik und Wissenschaft, das tägliche Jäten blieb dem Gesinde überlassen. Dabei heißt es sogar bei Paul Gerhardt: "Die Bäume stehen voller Laub/Das Erdreich decket seinen Staub/Mit einem grünen Kleide". Damit hatte der Pfarrer im Spreewald-Nest Lübbenau bestimmt nicht ausgesäte Raritäten gemeint. Bis 31. Oktober, mo. bis fr. 14 Uhr - 16.30 Uhr, sa. 10 Uhr bis 12 Uhr. Führungen auch außerhalb dieser Zeiten (Tel. 0651/7183427). Katalog in der Ausstellung 9 Euro.

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