Zwischen Schweinfurt und Hanau

Trier · Ein wiederholter Nabucco in neuem Gewand, eine ukrainische Ballett-Gastspieltruppe und ein Stummfilm-Konzert: Das sind die Höhepunkte der Antikenfestspiele 2009, die gestern im Trierer Rathaus vorgestellt wurden.

Das „Highlight der Saison 2008“ sei „eine Zahl“, verkündete Kulturdezernent Ulrich Holkenbrink gleich zu Beginn der Pressekonferenz: Man habe bei den Antikenfestspielen 2000 Euro Plus gemacht.
Und so sieht es 2009 aus: „Nabucco“ bleibt (27. Juni, 3. und 12. Juli), aber die „Trash People“ verschwinden. Nach Intendant Gerhard Weber und dem Künstler H.A. Schult soll diesmal Ballettchef Sven Grützmacher die Verdi-Oper im Amphitheater in Szene setzen – Besetzung und Ausstattung bislang unbekannt.
„Künstlerische Gründe“ führte Chefdramaturg Peter Oppermann an, der den in Italien arbeitenden Intendanten Gerhard Weber vertrat. Schults Kunst sei „zu situationsbezogen“. Es spielen die Philharmoniker mit ihrem neuen Chef Victor Puhl.
Das antike Schauspiel, in zehn Festspiel-Jahren ein gewichtiges Element, fehlt diesmal ganz. Auch die angekündigte multimediale Tanztheater-Eigenproduktion ist offenkundig der späten Entscheidung über den Spielort zum Opfer gefallen. Stattdessen kommt das ukrainische Staatsballett aus Donezk zu einem Gastspiel mit dem Stück „Spartacus“ von Khatchaturian (18. und 19. Juli). Musik läuft vom Band, die Produktion ist sonst, wie man Google entnehmen kann, in Stadthallen zwischen Schweinfurt und Hanau unterwegs. Ganz neu: Die städtischen Philharmoniker spielen live zum legendären Stummfilm „Ben Hur“, der auf einer Großleinwand gezeigt wird (10. /11. Juli). Frische Ideen bietet auch das Festspielkonzert, das mit Holst und Barber einen vorsichtigen Schritt in die Moderne wagt (5. Juli).

„Wir haben die Pistole im Genick.“ SPD-Kultursprecher Peter Spang
Das traditionelle Antiken-Symposium an der Universität steht auf der Kippe. Mangels neuer Eigenproduktionen im Jahr 2009 sieht man dort wenig Sinn in der renommierten wissenschaftlichen Begleitveranstaltung. Maßgebliche Initiatoren haben sich zurückgezogen, weil sie den unmittelbaren Zusammenhang der Festspiele zum Thema Antike vermissen. Zudem, sagt Professorin Henrike Stahl, „hat uns noch niemand gefragt“. Man werde im Dezember auf die Uni zugehen, kündigte Oppermann an.
Fundamentalkritik kommt vom Gründer der Festspiele, Heinz Lukas-Kindermann. Der Alt-Intendant ließ aus München verlauten, von Festspielen könne „keine Rede mehr sein“, schließlich müssten solche „die Ambition haben, etwas wirklich Besonderes zu bieten“. In Trier sieht Kindermann inzwischen weder den konsequenten Bezug zur Antike noch die überregionale Qualität gewahrt.

Hoffen auf Publikum trotz höherer Preise
Große Fragezeichen stehen auch hinter der programmlichen Entwicklung über 2009 hinaus. Kulturdezernent Holkenbrink legte einen „Konzeptbaustein“ vor, der im wesentlichen den Status Quo beschreibt. Er hob die hohe Priorität des Amphitheaters für die Festspiele hervor, wollte aber nicht ausschließen, dass man 2010 aus Kostengründen in die Kaiserthermen umzieht. Auch 2009 drücken Geldsorgen: Weil noch kein Sponsor für die Finanzierung der Tribüne gefunden worden ist, will man kurzerhand die Eintrittspreise erhöhen und die Ausgaben zusammenstreichen, um die Lücke in der Kalkulation auszugleichen – in der Hoffnung, dass das Publikum trotzdem strömt.
Im Stadtrat zeichnete sich gestern Abend eine Mehrheit für diese Vorgehensweise ab, wenn auch unter heftiger Kritik. „Wir haben die Pistole im Genick“, sagte SPD-Kultursprecher Peter Spang. Die durch „schlechtes Management und Versäumnisse des Kulturdezernenten“ geschaffene Situation stelle den Rat vor die Alternative, „entweder diesen Weg mitzugehen oder die Festspiele platzen zu lassen“. Auch andere Fraktionen mahnen ein längerfristiges Konzept an.

MEINUNG: Für Festspiele zu provinziell
Von Dieter Lintz

Schon zu lange haben Leute, die die Antikenfestspiele für eine sinnvolle Einrichtung halten, den schleichenden Niedergang schöngeredet oder -geschrieben, um Schlimmeres zu verhüten. Aber der Punkt ist erreicht, wo es nicht mehr viel schlimmer kommen kann.
Die Planung für 2009 hat weder Hand noch Fuß. Wenn man „Nabucco“ wiederholt, dann doch allenfalls in der Hoffnung, der Erfolg des Vorjahres werde neues Publikum nach Trier locken. Aber das wird sich vergackeiert fühlen, wenn es eine völlig andere Produktion vorfindet – wie künstlerisch interessant sie auch immer sein mag. Erfahrene Festival-Macher schütteln ob solcher Konfusion den Kopf.
Dazu ein seit Jahren die Sommerlöcher in Mitteleuropa füllendes südukrainisches Gastspiel-Ballett mit Musik aus der Dose – solche Events hat man Ingo Popp einst im Amphitheater mit Hinweis auf die mangelnde küstlerische Qualität untersagt. Vielleicht zieht das sogar Leute, aber dafür braucht man keine subventionierten Festspiele. Absurdes Theater, ebenso wie die Überlegung, sich in den Kaiserthermen zwischendurch mal gesundzuschrumpfen. Da trösten auch nicht die frischen Impulsevon GMD Victor Puhl.
Die Festspiele, einst als bundesweites Aushängeschild zur Schärfung des Profils der Stadt Trier gedacht, sind zu einem Sommertheater mit regionalem Charme geworden. Dafür ist eine halbe Million Euro an öffentlichen und halböffentlichen Geldern entschieden zu viel.
Und der vorgelegte „Konzeptbaustein“ bietet keine Perspektive, mit der sich etwa ein Sponsor hinter'm Ofen hervorlocken lassen würde. Eine schlappe, mutlose Planung, die Unfähigkeit der Politik, einen vernünftigen Rahmen zu schaffen, das seit Jahren hilflose Herumdoktern an Problemen: Da sollte man es besser sein lassen. Dann sich lieber auf die ordentliche Arbeit des Theaters konzentrieren und den ehrlichen Offenbarungseid ablegen: Trier ist für Festspiele zu provinziell.
d.lintz@volksfreund.de

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