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Farbe ist Leben, denn eine Welt ohne Farbe erscheint uns wie tot. Dieser Satz stammt von Johannes Itten (1888-1967), Schweizer Maler und Kunstpädagoge unter anderem am staatlichen Bauhaus in Weimar. Er schuf die Theorie der sieben Farbkontraste und begründete damit eine Farblehre, die bis heute Grundlage jeder künstlerischen Ausbildung ist. Bereits in der Schule begegnen Kinder seinem Farbkreis, und lernen mit dem Komplementärkontrast (gegenüberliegende Farben wie Rot und Grün verstärken sich gegenseitig), dem Kalt-Warm oder anderen Kontrasten Gesetze der Farbwirkung kennen.Horst Schmitt kann nicht vom Malen lassen

Wie aber gestaltet sich auf Basis dieses Wissens das persönliche Verhältnis von Künstlern zur Farbe? Dazu äußerten sich Kunstschaffende aus der Region. Horst Schmitt, der Vorsitzende der Gesellschaft für Bildende Kunst in Trier, ist in einen Malerbetrieb hineingeboren und wuchs mit Farbe auf: "Die war für mich immer Gegenstand des Handelns, das ist aber nie bewusst thematisiert worden." Nach handwerklicher Ausbildung, Besuch der Meisterschule und Grafikstudium unterrichtete er alle gestalterischen Klassen der berufsbildenden Schulen Trier - und malte, weil er nie von der Farbe lassen konnte. Die symbolische oder psychologische Bedeutung spiele keine Rolle für ihn, sie sei keine Frage der Gemütslage. Es geht ihm um Gestaltung und Ästhetik: "Mich interessiert allein, wie Farbe im Gespräch mit anderen Farben wirkt." Dabei greife er gerne zu Blau und Rot, fast nie zu Grün, selten zu Gelb, "weil es gefährlich ist und schnell seinen Ausdruck verliert". Als "leidlicher" Pianist vergleiche er gern mit Musik: "Was ist ein Ton allein, ohne Akkord?" Wenn Horst Schmitt arbeitet, läuft immer Musik, von Schubert bis Jazz. "Ich fange an, setze Farbe rein, bis eine innere Stimme sagt: So ist es gut." Weder von Willen noch von theoretischem Wissen gesteuert, ruhe er nicht eher, bis Balance und Harmonie stimmten.Darum geht es auch Ulrich Lebenstedt aus Trier, der als Sohn eines Bildhauers im Kindesalter Kunst- statt Bilderbücher betrachtete. Er sagt: "Ich liebe Farben, man könnte mir vorwerfen, zu bunt zu sein." Das Eingangszitat von Itten hat für ihn besondere Bedeutung, ebenso dessen Satz: "Farben sind Kinder des Lichts." Ohne Sonnenlicht gebe es keine Farben und damit auch kein Leben. Nicht umsonst werde sprachlich Grau mit trist gleichgesetzt, meint der Künstler, der über die archaisch-biologische Bedeutung der Farben sinniert: "Unsere Vorfahren lernten, dass rote Früchte Zucker lieferten. Und die Freude übers erste Frühlingsgrün hat vielleicht einfach etwas mit der Aussicht auf Nahrung zu tun."Ulrich Lebenstedt: Rot ist Feuer, Blau gleich Wasser

Farbe sei stark mit Assoziationen behaftet: "Das kann natürlich klischeehaft sein, Rot gleich Feuer, Blau gleich Wasser, ist aber oft ausschlaggebend bei der Gestaltung." Lebenstedt produziert neben freier Malerei und keramischen Arbeiten großflächige Wandgestaltungen in öffentlichen Räumen, aktuell im Bürgerhaus Trier-Ehrang. Deshalb setzt er Farbe sehr bewusst ein: "Jede Farbfläche trägt ein Thema." In Ehrang findet sich eine rote Fläche, in der wenige Striche die Annäherung eines Paares andeuten, daneben ist eine "echte!" EKG-Linie zu sehen. "In dem Haus feiert, lebt, begegnet man sich, mit Spannung und erhöhtem Pulsschlag." Die Assoziativkraft der Farbe allein genügt dem Künstler nicht: "Ganz abstrakt, das wäre für mich wie zwar hoch künstlerische, aber unlesbare Literatur." Daher unterstützt er die Vorstellungskraft der Betrachter mit Linien. Doch die farbliche Komposition steht im Vordergrund, ausgehend von einem handwerklichen Grundverständnis und auf Basis der Farblehre. "Um austarieren zu können, muss ich wissen, wie ich mischen muss und welche Farben wie nebenein ander wirken."Dorette Polnauer: Ich habe zu Grau keine Beziehung

Für die freischaffende Malerin Dorette Polnauer aus Zemmer ist Farbe ebenfalls das entscheidende Gestaltungselement, ausgehend vom Grafikstudium, aber immer unter dem Blickwinkel der Reduktion. Meist dominiert eine Hauptfarbe, die durch viele Schichten übereinander zu höchster Leuchtkraft gebracht wird. "Ich habe einen Hang zu den Grundfarben, nutze kaum Erdfarben und habe zu Grau überhaupt keine Beziehung", sagt die Künstlerin: "Bei Blau geht es ums Assoziative, ich denke gerne an Wasser." Farben seien wie Häute, die man auflege und abziehe, sie drückten Stimmungslagen und Erfahrungen aus. "Ich bin mir ganz sicher, dass sie etwas mit Biographie und Herkunft zu tun haben." Auf europäischen Kunstmessen begegnet die Künstlerin dem Phänomen, dass ihre klaren leuchtenden Bilder für die einer Südländerin gehalten werden. "Mit Deutschland verbinden die meisten Europäer eher melancholische Farbigkeit."Von einem biografisch und regional geprägten Verhältnis zur Farbe geht auch Suzanne Beaujean-Adam aus Wintersdorf aus, die sich bei einer Tätigkeit in der Psychiatrie mit der Symbolkraft und Deutung der Farben vertraut gemacht hat: "Rot ist Leben, Blut, Leidenschaft, Energie." Und neben Orange und Rosa ist es die Farbe, zu der sich die Künstlerin, Kunsterzieherin und Ergotherapeutin am meisten hingezogen fühlt. Im Moment jedenfalls, denn: "Farbe hängt von Lebenssituationen ab." Jeder Mensch durchschreite Phasen. Interessant sei bei der Arbeit mit Kindern festzustellen, wie diese erst den Grundfarben - oft Rot - zugetan seien, dann beim Mischen aber immer neue Entdeckungen machten. Die Einstellung zu Farbe hänge vom Typ ab, wie jemand ans Leben herangehe, sei aber auch von Trends beeinflusst. Davon macht sich die Künstlerin selbst frei, sagt aber: "Man hat viele Quellen, aus denen man schöpft, ohne sich dessen immer bewusst zu sein." In ihren Werken geht es wie bei den anderen Künstlern auch um Balance, auf kompositorischer wie inhaltlicher Ebene: "Momentan bearbeite ich schwere Themen, da gibt die Farbe Leichtigkeit, Optimismus und Hoffnung." Anke Emmerling

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