Abschied von den Hoffnungsträgern

Freie Theatergruppen mit starkem Profil und professionellem Anspruch haben in Trier offenbar keine Überlebenschance. Das endgültige Aus für den ambitioniert gestarteten Karussell e.V. wirft die Frage auf, warum nicht funktioniert, was in anderen Hochschulstädten gang und gäbe ist.

 Ganz nah an den Zuschauern: Aufführungen im Karussell wie hier „Leonce und Lena“ des Theaters Umriss lockten mit ihrer unkonventionellen Art viele Besucher an. TV-Foto: Archiv/Anita Lozina

Ganz nah an den Zuschauern: Aufführungen im Karussell wie hier „Leonce und Lena“ des Theaters Umriss lockten mit ihrer unkonventionellen Art viele Besucher an. TV-Foto: Archiv/Anita Lozina

Trier. Sie waren so etwas wie Hoffnungsträger, die jungen Theatermacher, die im Sommer 2009 in einer alten Druckerei das "Karussell am Zuckerberg" eröffneten. Eigene Produktionen und spannende Gastspiele, außergewöhnliche Inszenierungen und Experimente, gekoppelt mit Ausstellungen und neuen Kommunikationsformen: Die Truppe etablierte sich schnell, zog reichlich neues, vor allem studentisches Publikum an. Doch nach wenigen Monaten scheiterte der Versuch an ständigen Querelen mit den genervten Anwohnern - das Karussell lag mitten in einem Wohngebiet.

Danach ging man ein ganzes Jahr lang auf die Suche, tingelte von Spielstätte zu Spielstätte, fand aber kein dauerhaftes Domizil. Anfang dieses Jahres hatten die Macher dann genug: "Es gibt keine Chance für uns", stellte der Schauspieler und Mitinitiator Immanuel Bartz fest, beklagte ein "kollektives Versagen von Stadt, Vermietern und Kulturschaffenden" und schimpfte über "Platzhirschgebaren" der Kulturszene. Bartz hat seinen Lebens- und Schaffensraum inzwischen nach Köln verlagert.

Was die Karussell-Leute so ärgert, dokumentieren sie in einer Art Abschiedsausstellung, die am 17. März im Café Lübke eröffnet wird: Sie zeigt 40 leerstehende, teilweise verrottende Gebäude in Trier und der Region. Viele davon wären ein idealer Theaterraum - gäbe es da nicht eine unglückliche Mischung aus bürokratisch-rechtlichen Hemmnissen, teilweise horrenden Mietvorstellungen oder schlichter Bräsigkeit der Zuständigen.

Roman Schmitz, Regisseur und ebenfalls einer der Karussell-Köpfe, sieht die Sache differenziert: Beim städtischen Kulturdezernat sei man durchaus auf Sympathie gestoßen, es habe auch Bemühungen bei der Standortsuche gegeben, aber letztlich sei eben nichts dabei herausgekommen. "Wir haben mehrere Lösungen geprüft", versichert Kulturdezernent Thomas Egger, "denn wir hätten die Karussell-Leute gerne hier gehalten". Auch über die Tufa als Spielort habe man gesprochen, aber dem Karussell dort feste Räumlichkeiten zu überlassen, sei "angesichts der vielfältigen Nutzung nicht möglich". Das sieht letztlich auch Schmitz ähnlich. Es gehe nicht um mangelnden guten Willen der Tufa-Verantwortlichen, es sei "die Struktur, die so etwas nicht zulässt".

In der Tat haben sich in der Tufa dauerhaft nur Laientheater-Gruppen erhalten, die - wie etwa das Max-Tuch-Theater - einzelne Produktionen auf beachtlichem Niveau herausbringen, meist einmal im Jahr. Ansätze, ein festes, zumindest halbprofessionelles "junges Theater" mit umfassendem Kultur- und Kommunikationsangebot zu etablieren, waren in Trier nicht zu realisieren. Die Macher gaben irgendwann auf oder sie verließen die Stadt wie Katharina Bihler von der Gruppe duke's oak. Ansätze wie der von Karussell seien im relativ kleinen Trier "ein großer Glücksfall, fast ein Wunder", sagt die Multi-Künstlerin, die sich in Saarbrücken eine freiberufliche Existenz aufgebaut hat. Eine Chance, in Trier dauerhaft eine "Off-Szene" jenseits der großen Institutionen zu etablieren, sieht sie nur bei "konsequenter Unterstützung überzeugender Konzepte" durch die Kulturpolitik und "mit der Großregion als Perspektive".

Genau dafür habe Karussell ein Konzept entwickelt, erzählt Roman Schmitz. Schließlich sei das Luxemburger Kasematten-Theater ein Kooperationspartner. Diese Ansätze werden nun wohl versanden. Das Problem aber, dass es in Trier an einem jungen, frechen, wagemutigen Theater fehlt, bleibt. Das Stadttheater, so intensiv es sich bemüht, schafft es nicht, neue Publikumsschichten aus dem riesigen Umfeld von Uni und FH umfassend zu rekrutieren. Da braucht es ganz neue Anspracheformen.

Roman Schmitz wird das demnächst in Jena ausprobieren. Er gehört zum neuen Leitungsteam des dortigen städtischen Theaterhauses. Geschäftsführer wird der aus Trier stammende Regisseur Moritz Schönecker, Chef-Bühnenbildner dessen Bruder Benjamin, Haus-Autorin die Triererin Claudia Grehn. Das Durchschnittsalter der Truppe, die das Haus mit einem Zwei-Millionen-Euro-Budget übernimmt, beträgt 28 Jahre.

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