Das Gegenteil einer Tenorshow

Bernkastel-Kues · Ein ungewöhnliches Ereignis: Der neue Star am Himmel der Wagner-Heldentenöre mit einem zarten Liederabend im kleinen Kloster Machern. Klaus Florian Vogt widerlegte mit Schuberts "Schöne Müllerin" im ausverkauften Haus diverse Vorurteile.

 Trifft die leisen Töne hervorragend: Tenor Klaus Florian Vogt (rechts) beim Auftritt im Kloster Machern. Foto: Mosel Musikfestival/Artur Feller

Trifft die leisen Töne hervorragend: Tenor Klaus Florian Vogt (rechts) beim Auftritt im Kloster Machern. Foto: Mosel Musikfestival/Artur Feller

Bernkastel-Kues. So prächtig kann selbst Festivalintendant Hermann Lewen selten ein Konzert ankündigen: Der Hauptprotagonist des Abends ist soeben am Steuer des eigenen Sportflugzeugs gelandet, kommt direkt von den Schlussproben des Bayreuther "Lohengrin", wohin er auch am nächsten Morgen zurückjettet. Da, das kann Lewen bei der Begrüßung nicht verbergen, sieht sich das Mosel-Musikfestival endlich mal richtig verortet.
Dann betritt Klaus Florian Vogt die Bühne, blond, langmähnig, gefühlte 1,90 Meter groß. Unwillkürlich macht man sich in seinem Sitz klein, in Erwartung mächtigen Heroen-Getöses und in Sorge um den filigranen Schubert. Und dann kommt alles anders.
Blitzsauber intoniert


Wer Vogt nicht kennt, würde vermuten, dass er auf der Opernbühne für Tamino und Nemorino zuständig ist, und mitnichten für Lohengrin, Parsifal oder Siegmund. Eine hell timbrierte, lyrische, blitzsauber intonierende Stimme. Anfangs sehr zurückhaltend, fast zaghaft eingesetzt. Unprätentiös, werkdienlich, frei von Allüren. Das Gegenteil einer Tenorshow. Vogts Stimme gilt unter Experten als monochrom, also nicht besonders farbenreich. Das ist nicht anders, wenn er Lieder singt. Sein Gestaltungspielraum ist nicht groß, in der stimmlichen Darstellungskunst kann er mit Größen der Szene wie Christian Gerhaher oder Matthias Goerne nicht konkurrieren. Aber er arbeitet den Charakter und die Stimmungslage des Schubert\'schen Liederzyklus\' sorgfältig und mit wachsender Intensität heraus. Was zögerlich mit "Wohin?" beginnt, mäandert gekonnt zwischen dynamisch und melancholisch, setzt auf starke Kontraste beim Tempo, streift gelegentlich die Grenzen zur Hektik oder zur Larmoyanz, ohne sie zu überschreiten.
Vogt trifft am besten die sehnsüchtigen, leisen Töne, und wenn er zum Ende hin das Scheitern der erhofften Beziehung zur schönen Müllerin ahnt, dann lässt er die Vergeblichkeit in anrührender Weise durchschimmern. Woran auch der Pianist Jobst Schneiderat einen gebührenden Anteil hat.
Das begeisterte Publikum erklatscht sich zwei Zugaben, Vogt bedankt sich mit Brahms. Die bayerisch-augenzwinkernde Ironie von "Da unten im Tale" bleibt dabei deutlich blasser als die Innigkeit des "Sonntagsgrußes". DiL

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