Das Leben ein Kampf

Luxemburg · Die mexikanische Malerin Frida Kahlo ist ein Mythos des 20. Jahrhunderts. Sylvia Camarda und Sascha Ley widmen der Schmerzensfrau einen spartenübergreifenden Theaterabend - und kommen dabei ihrer Heldin erstaunlich nah.

 Zwei Darstellerinnen, eine Persönlichkeit: Sascha Ley (links) und Sylvia Camarda in „Mi Frida“. Foto: Bohumil Kostohryz

Zwei Darstellerinnen, eine Persönlichkeit: Sascha Ley (links) und Sylvia Camarda in „Mi Frida“. Foto: Bohumil Kostohryz

Luxemburg. Frida Kahlo ist seit 60 Jahren tot. Und doch fasziniert sie weit über ihre Lebzeiten hinaus, lockt Millionen Menschen in Ausstellungen, reizt zur Auseinandersetzung. In ihrem Heimatland eine Ikone, weltweites Postergirl für Feministinnen (hat in der Tageszeitung Welt mal ein Mann geschrieben), wäre heute wahrscheinlich nebenbei Chef-Werbeträgerin für die Paralympics.
Da kommt auch viel zusammen: Als junge Frau bei einem Busunfall so schwer verletzt, dass sie ihr kurzes Leben lang darunter leidet. Glücklich-unglücklich verheiratet mit einem Macho-Künstler, liiert mit diversen Geistesgrößen, alkohol- und schmerzmittelabhängig. Den künstlerischen Erfolg dem eigenen Körper abgetrotzt - das Leben ein ewiger Kampf.
Der Versuch, ebendieses Leben künstlerisch abzubilden, kann eigentlich nur scheitern. Zu groß das Leiden der Kahlo, zu groß ihre Kunst. Entweder es wird ein Melodram daraus, oder ein biografscher VHS-Abend.
Um so erstaunlicher, wie Sylvia Camarda und Sascha Ley dem Phänomen Kahlo zu Leibe rücken. Immer wechselnd, immer neu, immer überraschend. Wer ist die Tänzerin, wer die Sängerin, wer die Schauspielerin? Die Grenzen verschwimmen.
Anfangs sitzt Camarda im Rollstuhl, Ley wieselt wie ein kleiner Kobold um sie herum. Da ist die Unfall-Katastrophe schon passiert, für die die Künstlerinnen ein beklemmendes Bild finden.
Camarda tanzt einen bizarren Prothesen-Tanz, tastet sich vor, probiert sich aus an ihrer Behinderung. Zwei junge Frauen erzählen sich, was sie lieben und wovon sie träumen, singen. Ley gibt Diego, den Latin Lover, dessen zweite Namenshälfte eben doch nur "ego" lautet. Und dennoch kann Frida mit ihm tanzen, schweben, ganz ohne - wie sonst - zu hinken. Gegenseitig schlagen sie sich voller Eifersucht die Namen ihrer Geliebten um die Ohren.
Das sind kurze, intensive Blitze, die collagenartig ein Leben anreißen, kontrastiert mit Eigen-zitaten von Frida Kahlo und Stimmen aus einer Straßenumfrage zur Künstlerin. Da lässt die Intensität manchmal nach, aber sofort sind Ley und Camarda wieder da, vertreiben das Unterrichtsgefühl, stürzen sich in ihre (von Ulli Kremers Kostümen stimmungsvoll unterstützten) Rollen. Wobei immer klar bleibt: Da wollen zwei nur spielen, niemand erdreistet sich, Frida Kahlo tatsächlich verkörpern zu wollen.
Manchmal gibt es auch einen Stich ins Absurde. Immer wieder gebären die Akteurinnen unter Schmerzen, aber sie gebären keinen Menschen, nur tote Dinge. Nach ihrem Unfall keine Kinder bekommen zu können, war das Trauma im Leben von Frida Kahlo. Und man ahnt an diesem Abend im Kapuzinertheater, was das bedeutet haben könnte.
Am Ende werden die Lieder trauriger, der Kampf wird zum Totentanz. Und doch erleben wir kein Opfer Frida Kahlo. Sondern eine so starke wie verzweifelte Frau. Auch da ist diese Aufführung punktgenau. Stark. DiL
Zu sehen 12. Mai im Kapuzinertheater, 15. Mai in Miersch, 23., 25. Mai in Niederanven.

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