Der Spion in der Hosentasche

Dank modernster Messtechnik sind Smartphones in der Lage, viele Informationen über ihre Nutzer aufzuzeichnen. Genau das müssten App-Anbieter aber deutlicher kenntlich machen, fordern Datenschützer.

 Viele Menschen haben ihr Smartphone immer dabei und geben damit unbewusst viele Informationen über ihre Aktivitäten preis. Foto: np

Viele Menschen haben ihr Smartphone immer dabei und geben damit unbewusst viele Informationen über ihre Aktivitäten preis. Foto: np

Das kleine Gerät kennt uns genau. Es weiß, wer unsere Freunde sind, ob wir einen Flug buchen oder an den Baggersee fahren. Dank des Smartphones begleiten Online-Dienste den Alltag vieler Menschen rund um die Uhr, die Möglichkeiten der Datenerhebung sind für die Anbieter in der Theorie nahezu unbegrenzt.
Kleine Datenschleudern


Dabei geben Nutzer häufig mehr Daten preis, als sie denken. So könne jedes Smartphone nicht nur Aufschluss über die Position, sondern auch über die körperliche Aktivität des Nutzers liefern, erklärt Tobias Franke vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Kaiserslautern. "Wenn jemand das Smartphone in der Hosentasche trägt, ist es dank der Messdaten des Geräts theoretisch möglich, zu sagen, ob er gerade sitzt, panisch flüchtet, eine Treppe hinaufgeht oder am Boden liegt", erklärt Franke. Dafür sorgen Sensoren wie GPS, Beschleunigungsmesser oder das sogenannte Gyroskop, das die Drehgeschwindigkeit des Geräts misst. Auch über Wi-Fi oder Bluetooth lässt sich die Position des Nutzers bestimmen.
Franke war selbst an der Entwicklung einer App beteiligt, die entsprechende Daten auswertet und nutzt. Nur aufgrund der GPS-Daten von Smartphone-Nutzern ist das Programm in der Lage, die Besucherströme bei Großveranstaltungen zu erfassen und zu lenken. Die App soll so gegebenenfalls eine Massenpanik wie bei der Love Parade in Duisburg im Jahr 2010 verhindern. Crowd Sensing, zu deutsch Massen-Abtastung, nennt sich diese Technologie, die bei den Olympischen Spielen in London im August 2012 ihren ersten Großeinsatz hatte.
Bei der Crowd-Sensing-App wurde peinlichst auf den Datenschutz geachtet, erklärt Franke. So werde das System nur aktiviert, wenn eine Veranstaltung stattfinde, der Nutzer müsse der Datenerhebung explizit zustimmen, und die Erfassung erfolge anonym. Ein solcher Umgang mit der Privatsphäre des Nutzers sei bei App-Anbietern jedoch nicht die Praxis, warnt Carola Elbrecht vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). "Viele Apps sind wie kleine Datenstaubsauger, die möglichst alle Informationen über ihre Nutzer sammeln." Im März testeten die Verbraucherschützer 50 Apps des Google Play Stores hinsichtlich ihrer Zugriffsberechtigungen. Der Test hat gezeigt, dass die Anbieter häufig so viele Daten wie möglich abfragen. Gleichzeitig sei meist unklar, was mit den Daten passiere, erläutert Elbrecht. Wer etwa dem Sprachassistenten Google Now Zugriff auf seinen Standort gewährt, dessen Aufenthaltsorte werden, solange das Smartphone eingeschaltet ist, lückenlos aufgezeichnet und von Google gespeichert. Meist verwenden die Online-Dienste die Daten, um den Nutzern passgenaue Werbung anzuzeigen.
Der vzbv hat Google wegen seines Umgangs mit Persönlichkeitsrechten und Datenschutz verklagt. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen seien diesbezüglich zu schwammig formuliert, erläutert Michaela Zinke vom vzbv. Das Landgericht Berlin gab den Verbraucherschützern Recht und erklärte 13 von Googles Datenschutzklauseln als rechtswidrig, da sie den Nutzer unangemessen benachteiligen. Rechtskräftig ist das Urteil nicht, Google hat Berufung eingelegt.
Keine Einigung in Sicht


"Aktuell hat der Verbraucher kaum Schutz, dass Unternehmen oder Geheimdienste seine Daten missbrauchen", warnt Zinke. Deshalb fordert sie verbindliche Datenschutz-Abkommen für die Europäische Union. Schon seit 2012 bastelt das EU-Parlament an einer Datenschutzverordnung, die für alle Anbieter von Online-Diensten, die sich an EU-Bürger richten, klare Regeln aufstellt. Eine Einigung sei jedoch frühestens Ende 2015 in Sicht, so die Verbraucherschützerin.
Viele Nutzer wissen um die Gefahren für ihre Privatsphäre, die Smartphones mit sich bringen. Und dennoch vertrauen viele den Geräten bereitwillig ihre Daten an, wie eine Studie des Sozialforschers Simon Schnetzer ergab. Viele seiner Interviewten äußerten besonders bei großen Internetfirmen wie etwa Google oder Facebook Bedenken in puncto Datenschutz. Dennoch nutzt die Mehrheit die Dienste der großen Online-Unternehmen. Jeder zweite Internetnutzer in Deutschland ist bei Facebook aktiv, Googles Suchmaschine hat einen Marktanteil von über 90 Prozent. "Das Bewusstsein ist da, doch die Bequemlichkeit siegt", so Schnetzer. np

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