Die Formel der Schönheit

Berlin · Schönheit ist berechenbar, sagen Forscher und haben angeblich eine Formel für das "ideale" Taille-Hüft-Verhältnis gefunden. Korsetts und Mieder haben eine lange Tradition, aber auch in der heutigen Zeit wird gerne etwas gemogelt.

 Ein bestimmtes Taille-Hüft-Verhältnis bei Frauen gilt seit Jahrhunderten als Schönheitsideal. Foto: Triumph

Ein bestimmtes Taille-Hüft-Verhältnis bei Frauen gilt seit Jahrhunderten als Schönheitsideal. Foto: Triumph

Berlin. Popstars wie Lady Gaga oder Madonna tragen es heute auf der Bühne. Filmlegenden wie Gina Lollobrigida formten mit seiner Hilfe in den Fünfzigerjahren ihre markante Wespentaille. Und schon im 19. Jahrhundert war Österreichs Kaiserin Sissi ganz verrückt nach ihm: dem Korsett. "Schnürleib" wurde es damals noch genannt, weil es den Oberkörper durch sein enges Gestell aus Fischbein oder Stahlbändern so eng zusammen presste, dass den Damen schon mal die Luft wegblieb oder sie sogar ernste, gesundheitliche Schäden davontrugen.
Keine männliche Erfindung


Die "Schnürleber", eine Verkrüppelung des Organs, ist nur eine von vielen möglichen Folgen für den Körper. Frauen nehmen die Risiken in Kauf, nur um der vermeintlich weiblichen "Idealfigur" zu entsprechen: rundes Becken, volle Oberweite, beides betont durch eine schlanke, oft extrem schmale Taille.
Josephine Barbe von der Technischen Universität Berlin beschäftigt sich seit Jahren mit der weiblichen Silhouette. Die Wissenschaftlerin stellt klar: "Kein Mann hat eine Frau je in ein Korsett eingeschnürt." Korsetts sind demnach keine männliche Erfindung. "Im 17. Jahrhundert haben Frauen schwer darum gekämpft, Schnürleiber herstellen zu dürfen. Im 19. Jahrhundert waren es fast ausschließlich Frauen, also Corsetièren, die die Korsetts produzierten. Der Wille, eine ‚Idealfigur‘ zu haben, ist bis heute riesig", erklärt die Berlinerin, die zu diesem Thema gerade ihre Dissertation veröffentlicht hat.
Doch wer bestimmt eigentlich dieses vermeintliche Schönheitsideal? Der amerikanische Psychologe Devendra Singh hat das Phänomen in den 1990er Jahren untersucht und ist zu dem Schluss gekommen, dass das Verhältnis von Taillen- und Hüftumfang maßgeblich für das Empfinden körperlicher Schönheit ist. Demnach scheint eine Frauenfigur, die wie eine Sanduhr geformt ist, die männlichen Hirnzentren stärker zu aktivieren als eine geradlinige, untaillierte Figur. Josephine Barbe schließt daraus: "Dieses einfache Gesetz der sexuellen Attraktion wird Impuls und Grund für die Entwicklung von Korsetten und anderen körperformenden Kleidungsstücken gewesen sein."
Das angeblich "ideale" Taille-Hüft-Verhältnis liegt bei 0,7. Diese Zahl kursiert durch die Wissenschaftswelt, wenn es um die weibliche Linie geht. Sie ergibt sich, wenn man den Umfang der Taille durch den Umfang der Hüfte in Zentimetern teilt. Ein Forscherteam um den Regensburger Martin Gründl hat sich ausführlich mit der weiblichen Silhouette beschäftigt und relativiert die Zahl auf seiner Internetseite beautycheck.de. Laut ihren Studien sind das Gewicht und die Körperfülle einer Frau insgesamt für die Berechnung nicht entscheidend.
Die Beautycheck-Experten warnen jedoch davor, den Wert zu einer "magischen Nummer" zu machen: "0,7 ist nur ein Durchschnittswert. Auch Figuren, deren Zahl leicht darunter oder darüber liegt, werden als attraktiv bewertet." Ihrer Meinung zufolge lässt sich die Schönheit der Figur nicht auf eine einzige Zahl reduzieren. Interessantes Ergebnis ihrer Studie ist jedoch, dass Frauen eine schmale Taille sogar noch wichtiger ist als Männern.
Josephine Barbe sieht sich in diesem Punkt in ihren Erkenntnissen bestätigt: "Viele Männer mögen Rundungen." Die Frauen selbst sind es, die zum Mieder greifen, um ihre Silhouette zu betonen - beeinflusst vor allem von Bildern, die in der Werbung kursieren. red
HINTERGRUND


Extra

Ein Korsett ist nicht das Gleiche wie eine Korsage. Darauf weist der Deutsche Orthopäden-Verband (DOV) hin. "Im Gegensatz zum festen Korsett ist die Korsage aus weichen Materialien gearbeitet", erklärt Dr. Thomas Pauly. "Damit sie die Figur so betont, wie eine Frau sich das wünscht und keine Druckstellen oder Hautirritationen und sogar Hautverfärbungen entstehen, muss sie passgenau sitzen." Eine Anprobe, im Zweifelsfall sogar eine Maßanfertigung, sei unerlässlich. "Frauen mit flachem Bauch und normal großen Brüsten haben beim Kauf und beim Tragen von Korsagen meist weniger Probleme", so Pauly. Doch auch schlanke Frauen, die ihre Taille gerne hervorheben, sollten laut DOV zusätzlich darauf achten, dass die Korsage aus einem Material gearbeitet ist, das die Haut nicht reizt. dscHINTERGRUND


Extra

Ein Korsett ist nicht das Gleiche wie eine Korsage. Darauf weist der Deutsche Orthopäden-Verband (DOV) hin. "Im Gegensatz zum festen Korsett ist die Korsage aus weichen Materialien gearbeitet", erklärt Dr. Thomas Pauly. "Damit sie die Figur so betont, wie eine Frau sich das wünscht und keine Druckstellen oder Hautirritationen und sogar Hautverfärbungen entstehen, muss sie passgenau sitzen."

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