Die Kraft der Poesie

Trier · Für einen starken Auftritt mit einem intimen neuen Soloprogramm ist Konstantin Wecker im ausverkauften Theater Trier von 600 Zuschauern gefeiert worden. Unter dem Titel "Jeder Augenblick ist ewig" gestaltete der charismatische Künstler einen gehaltvollen musikalisch-literarischen Rückblick auf sein Leben.

 Lied und Literatur verbindet Konstantin Wecker zu einem bewegenden Programm. TV-Foto: Anke Emmerling

Lied und Literatur verbindet Konstantin Wecker zu einem bewegenden Programm. TV-Foto: Anke Emmerling

Trier. Konstantin Wecker betritt die Bühne, und sofort fällt seine raumfüllende Präsenz, aber auch seine Kleidung ins Auge. Um den Hals trägt er Perlen in Regenbogenfarben, die an die schillernden Facetten des Liedermachers, Poeten und Politaktivisten denken lassen. Hemd und Hose hingegen sind so grau wie der von 66 Lebensjahren gezeichnete Haarschopf.
Erfahrung, Reife, Weisheit - Wecker ist jetzt in dem Alter, in dem innere Werte mehr Gewicht denn je bekommen, sich die großen eigenen Lebensthemen zum roten Faden verknüpfen. Genau das ist Inhalt seines Programms, das sinnig mit dem Lied "Leben im Leben" beginnt und drei intensive Stunden mit Lesung, launigen Plaudereien und Musik füllt.
Von der Kunst des Scheiterns


Ausgangspunkt ist Weckers Autobiografie "Die Kunst des Scheiterns", in der er über persönliche Niederlagen berichtet, "weil nur die mich weitergebracht haben". Sein Freund, der verstorbene Kabarettist Dieter Hildebrandt, habe dazu gesagt: "Dann schreibst du also doch über deine Erfolge." So mutet es auch den Zuhörer an. Wecker erzählt zwar, wie er beseelt von Georg Trakls Lyrik beschloss, als freier Poet zu leben und dafür zum notorischen Ausreißer wurde. Er bekennt sich zu Verhaftungen und einem Gefängnisaufenthalt, zu Drogenexzessen und jahrelanger Erfolglosigkeit.
Doch dem gegenüber steht die Kunst, die aus all diesen Erfahrungen, aus Leiden, Lebenshunger, Freiheitsdrang und Rebellion geboren wurde. Wecker singt als beredte Beispiele Lieder wie "Wenn der Sommer nicht mehr weit ist", "Liebeslied", "Genug ist nicht genug", "Weiße Rose", "Endlich wieder unten" und "Wut und Zärtlichkeit". Das sind poetische, sinnliche Wortgemälde, vorgetragen mit kraftvoller Tenorstimme und sanfter bis pathetischer Klavierbegleitung - und sie treffen bis ins Mark, lösen körperliche Reaktionen wie Gänsehaut oder den sprichwörtlichen Kloß im Hals aus, berühren eindringlich Seele und Kopf.
Wecker ist ein Meister der Dramaturgie und Stimmungsführung. Er erzeugt Spannung und löst sie mit Humor wieder auf, reißt mit und besänftigt. In seiner Leidenschaft und Hingabe wirkt er wahrhaftig, auch wenn er sich politisch äußert.
Die Welt habe er nicht verändern können, gesteht der Friedensaktivist und Gegner neoliberaler Marktwirtschaft ein. Aber es gehe ums Tun, nicht ums Siegen, ruft er sein Publikum zu kritischem Bewusstsein und Handeln auf.
Er erntet große Zustimmung - da sitzen viele aus der Generation, für die Wecker eine Identifikationsfigur ist. Er hat ihnen an diesem Abend viel gegeben, nicht zuletzt den Mut, an eigene Utopien zu glauben und jeden Augenblick des Lebens bewusst auszukosten.

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