"Durch die Bratsche spricht meine innere Stimme"

Wittlich · Nils Mönkemeyers Begeisterung für die spanische Barockmusik geht auf das Jahr 2006 zurück. Damals trat der Bratschist und Echo-Klassik-Preisträger an der Madrider Musikhochschule "Escuela Superior de Musica Reina Sofia" eine Assistenzprofessur an. Bei der Vorbereitung für das Antrittskonzert lernte er den Reichtum der spanischen Musik kennen, die sich immer wieder der Tanz- und Volksmusik bediente.

 „Bachs Musik ist ausgesprochen tröstend“: der Bratschist Nils Mönkemeyer. Foto: privat

„Bachs Musik ist ausgesprochen tröstend“: der Bratschist Nils Mönkemeyer. Foto: privat

Wittlich. Manch einer hält ihn für ein "Bratschenwunder". Auf jeden Fall hat Nils Mönkemeyer die Bratsche aus ihrem Dasein im Schatten der Geige befreit und ihr zu neuem Glanz verholfen. Der international gefragte Bratschist kommt im Rahmen des Mosel Musikfestivals am 29. August nach Machern. Vor dem Konzert sprach er mit dem TV. Die Fragen stellte Mitarbeiterin Eva-Maria Reu-ther. Sie kommen von der Geige. Wieso haben Sie sich für ihre sanftere Schwester, die Bratsche entschieden?Nils Mönkemeyer: Ich denke, jeder Mensch hat eine Aufgabe, bei der er besonders gut ist. Wenn man das tut, wofür sein Herz schlägt, kann man in dieser Sache richtig etwas erreichen. Bei mir ist das die Bratsche. Ich habe sie in die Hand genommen und wusste sofort: Das ist mein Klang, und das ist mein Instrument. Das entspricht meiner inneren Stimme.Die Barockmusik ist ein Schwerpunkt Ihres Schaffens. Worin besteht für Sie der Reiz dieser vielfältigen europäischen Epoche?Mönkemeyer: Genau diese Vielfältigkeit spricht mich an. Die Barockmusik hat außerdem etwas, wovon wir vielleicht heute etwas mehr in unserem alltäglichen Leben bräuchten. Ich meine ihre Grandezza, ihre Lebensfreude, ihre emotionale Qualität. Die Barockmusik vermag Glanz und Festlichkeit zu vermitteln.Im Barock verbinden sich höchste Lust und tiefste Innerlichkeit. Sind Sie in diesem Sinn ein barocker Mensch?Mönkemeyer: (lacht) Ich glaube ehrlich gesagt, dass wir Menschen uns im Laufe der Jahrhunderte gar nicht so sehr verändert haben. Nehmen Sie eine griechische Tragödie oder einen Roman von heute: Die Gefühle, über die wir sprechen, sind immer die gleichen. Nur die Mittel, mit denen wir uns ausdrücken, ändern sich von Epoche zu Epoche. Ich denke, die Lebensfreude und das, was sich an Gefühl und Sinnlichkeit in der Barockmusik ausdrückt, verstehen wir heute nach wie vor. Nicht ohne Grund ist vielen Leuten die Barockmusik sehr nah.In Machern trifft Johann Sebastian Bach auf französische Kollegen. Wieso gerade diese Allianz?Mönkemeyer: Damals gab es einen Wettbewerb zwischen Deutschland und Frankreich. Die französische Barockmusik war mehr auf Repräsentation und Innerlichkeit ausgerichtet. Die Italiener setzten mehr auf virtuosen Stil. Bach war von beiden gleichermaßen beeindruckt. Wie Vivaldi klingt, wissen wir inzwischen. Dagegen hat die französische Barockmusik viele schöne Stücke, die hier in Deutschland kaum bekannt sind. Deshalb stellen wir Bach in einen französischen Zusammenhang.Sie sind ein Bach-Fan. Was fasziniert Sie am meisten an seiner Musik?Mönkemeyer: Ich empfinde Bach als ausgesprochen tröstend. Bach glaubte fest daran, dass wir von höherer Hand gelenkt werden. Obwohl sein Leben sehr dramatisch verlief und er viele Todesfälle in seiner Familie erlebte, hat er dennoch nie seine Zuversicht verloren. Ich finde, diese Zuversicht spürt man auch in seinem Werk. Das empfinde ich auch, wenn ich Bach im Konzert spiele. Dass man gemeinsam mit den Zuhörern zur Ruhe kommt und sich diese Zuversicht einstellt.In Machern spielen Sie zwei Cello- Suiten von Bach, die schon alle Cello-Großmeister interpretiert haben. Was hat die Bratsche zu sagen, was das Cello nicht zu sagen vermag?Mönkemeyer: Auf der Bratsche werden die Suiten sehr viel leichter und ätherischer. Das Cello bietet mehr Widerstand und hat natürlich mehr Tiefe. Gerade die erste Suite ist ein Stück, bei dem die Musik schwebt. Dafür ist die Bratsche sehr geeignet. Mir gefällt das besonders gut, weil so die Musik noch einmal in einem völlig neuen Licht erscheint. Allerdings sollte man, wenn man ein Stück auf einem anderen Instrument spielt als auf dem, für das es komponiert ist, nicht versuchen, die Anmutung des ursprünglichen Instruments herzustellen. Man muss der Musik eine eigene neue Gestalt geben.Ihr Partner in Machern ist An dreas Arend auf der Theorba, einer alten Lautenart. Bratsche und Laute: Ist das nicht gleichermaßen eine innige wie sensible Beziehung?Mönkemeyer: Ja, das ist sehr intim im Charakter. Ich finde das ganz besonders schön. Die Theorba hat im Gegensatz zur Laute noch Bass-Saiten. Sie ist so eine Art Mischung aus Kontrabass und Gitarre. Sie gibt dem eher sanften Klang der Bratsche ein wunderbares Bett. Deshalb gefällt mir diese Kombination sehr gut. Zusammen mit dem herrlichen Ambiente und der schönen Akustik im Kloster Machern kann das ein wunderschöner Abend werden.Sie sind mit 35 Jahren ein Bratschenstar. Zudem unterrichten Sie als Professor für Bratsche und sind bei Sony unter Vertrag. Wie geht so ein gewaltiges Programm mit Ihrer eigenen Entwicklung zusammen?Mönkemeyer: Das Schöne an der Musik ist ja, man ist nie am Ende. Es gibt immer Neues zu entdecken. Man will immer schöner und besser spielen. Das ist eine Reise, die ein ganzes Leben dauert. Bei jedem Konzert entdecke und verstehe ich wieder etwas Neues in der Musik. Jedes Konzert ist einzigartig, weil sein Gelingen natürlich auch von meiner Tagesverfassung, wie vom immer wieder anderen Publikum abhängt. Ich habe das Gefühl, mit jedem Konzert ein Stück zu wachsen. er Konzert mit Nils Mönkemeyer: 29. August,20 Uhr, Barocksaal Kloster Machern in Berkastel-Wehlen, Festivalprogramm: <%LINK auto="true" href="http://www.moselmusikfestival.de" class="more" text="www.moselmusikfestival.de"%>Extra

Nils Mönkemeyer, geboren 1978, hat in Hannover, München und Salzburg studiert. Internationale Konzerttätigkeit; seit 2011 ist Mönkemeyer Professor für Bratsche an der Hochschule für Musik und Theater in München. 2011 wurde ihm der "Echo Klassik"-Preis für die Konzerteinspielung des Jahres verliehen. er

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