Ein typischer Vertreter der Mittelklasse

Trier · Max Frischs Schauspiel "Biedermann und die Brandstifter" hat am Samstag im Trierer Theater Premiere. Regisseur Lars Popp ist sicher: Biedermann ist aktuell wie eh und je.

 „Der Biedermann hat uns noch immer viel zu erzählen, wenn wir uns nur umschauen, was um uns herum vorgeht“: Szene mit Christian Miedreich (Schmitz) und Klaus-Michael Nix als Biedermann (rechts). Foto: Marco Piecuch

„Der Biedermann hat uns noch immer viel zu erzählen, wenn wir uns nur umschauen, was um uns herum vorgeht“: Szene mit Christian Miedreich (Schmitz) und Klaus-Michael Nix als Biedermann (rechts). Foto: Marco Piecuch

Trier. Sein "Biedermann" sei ein Lehrstück ohne Lehre, hatte Max Frisch vorsorglich im Untertitel klargestellt, um allzu eilfertigen Vereinnahmungen seines Dramas zuvorzukommen. Verhindern konnte er sie trotzdem nicht.
Bei der Uraufführung seines Schauspiels 1958 in Zürich missverstand das Premierenpublikum die Parabel als Gleichnis für die Verharmlosung des Kommunismus. "Herr Biedermann ist in uns selbst", stöhnte Max Frisch.
Inzwischen hat sich das Drama, dessen Ursprünge auf das Jahr 1948 zurückgehen und das tatsächlich während der Machtübernahme der Kommunisten in der Tschechoslowakei in seinen ersten Skizzen entstand, seinen Platz in der Weltliteratur gesichert. Die Auflagen beziffern sich in Millionenhöhe.
Die Geschichte vom Haarwasserfabrikanten Biedermann, der sich, kleinmütig und sozial inkompetent, zwei "Asis" ins Haus holt, die ihm das vermeintlich sichere Dach über dem Kopf anzünden, gehört zur Standardlektüre unzähliger Schülergenerationen. Keine Frage: "Biedermann und die Brandstifter" ist eine literarische Institution. Auch daher mag rühren, dass sich reichlich Staub darauf ablagern konnte.
In Trier will Lars Popp jetzt kräftig Staub wischen. Hinübergeholt in die aktuelle Gegenwart soll sein sehend blinder Fa brikant wieder jener Jedermann werden, den Max Frisch ursprünglich meinte.
Der Regisseur mit dem aufmerksamen Blick wartet am Bühneneingang des Trierer Theaters. Anfangs sei er skeptisch gewesen, erzählt er. Aber nach der neuerlichen Lektüre stand für den Theatermacher aus Offenbach fest: "Der Biedermann hat uns noch immer viel zu erzählen, wenn wir uns nur umschauen, was um uns herum vorgeht."
Für seine Trierer Inszenierung hat sich Popp in den aktuellen wirtschaftlichen Verhältnissen umgeschaut. "Wir sind in einer Situation, in der es für das kapitalistische System brenzlig wird", erklärt der Regisseur. Wie brenzlig, soll der erfolgreiche Unternehmer und Mittelständler Biedermann demonstrieren. "Für mich ist er ein typischer Vertreter der Mittelklasse mit ihren Abstiegsängsten und ihrer Suche nach Sündenböcken", sagt Popp.
Seine Inszenierungsidee hat etwas von einer gesellschaftlichen Schule des Sehens. "Ich will den Blick dafür schärfen, wer oben ist und wer unten, und wer nur so tut, als sei er volksnah, obwohl er längst die Ebene des Normalbürgers hinter sich gelassen hat."
Nicht nur ums Umschauen geht es Popp allerdings, sondern auch um die eigene selbstkritische Betrachtung. "Die Brandstifter halten Biedermann den Spiegel vor." Neben dem wirtschaftlichen ist auch der meteorologische Klimawandel für Popp ein Fall von selbstverschuldeter Brandstiftung im eigenen Haus. Ein Lieblingsthema des Regisseurs übrigens, bei dem er die einschlägige Wissenschaft zum Zeugen ruft, und auf das er auch in Trier nicht verzichten mag.
In der Jetztzeit ist auch das Bühnenbild angekommen. Aktualität verlangt aktuelle Bilder, weiß Regisseur Lars Popp. In Trier werden daher am Samstag nicht mehr die altgedienten Benzinfässer auf die Bühne rollen. Heute wird nämlich auch in Trier anders gezündelt. Verändert haben sich zudem die Wohnverhältnisse von Biedermanns. Mehr wird vorerst nicht verraten. Nur noch, dass Klaus-Michael Nix den Biedermann spielt und Barbara Ullmann seine treusorgende Gattin.
Premiere ist am Samstag, 27. September, 19.30 Uhr, im Großen Haus des Theaters Trier, Karten unter Telefon 0651/718-1818.

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