"Fado ist mein starker Anker": Portugiesischer Star Carminho am kommenden Dienstag in Saarburgs Stadthalle

Saarburg · Kritiker bescheinigen der Sängerin Carminho aus Portugal, eine der ausdrucksstärksten Stimmen des Fado in Jahrzehnten zu sein. Davon kann man sich am kommenden Dienstag in Saarburg überzeugen. Dort stellt die in Lissabon als Tochter der Fadista Teresa Siquera aufgewachsene Künstlerin ihr Album "Alma" (Seele) vor. Im Interview sprach sie mit unserer Mitarbeiterin Anke Emmerling über den Fado und ihr Leben.

 Carminho ist ein Jahr mit dem Rucksack durch die Welt gereist, um sich für den Fado bereit zu fühlen. Foto: Privat

Carminho ist ein Jahr mit dem Rucksack durch die Welt gereist, um sich für den Fado bereit zu fühlen. Foto: Privat

Saarburg. Der Fado begleitet die 30-jährige Portugiesin Carminho seit Kindertagen. Er spielt eine große Rolle in ihrem Leben.
Wie kamen Sie dazu, Fado zu singen?
Carminho: Meine Mutter ist Fadosängerin, eine Fadista, deshalb bin ich damit aufgewachsen. Sie hat viele Sessions mit ihren Freunden organisiert, und so habe ich schon im Alter von drei Jahren Sänger und Instrumente live erlebt. Später haben meine Eltern ein Fado-Haus eröffnet, das wurde noch mehr Teil meiner Geschichte.
Kann man Fado lernen, oder muss man wie Sie hineinwachsen, um ihn singen zu können?
Carminho: Es gibt keine Schulen, in denen man das lernen kann, keine Anleitungen. Zu wissen, wie man Fado singt und spielt, erschließt sich über empirische Erfahrung von dem Moment an, in dem man mit älteren Leuten im Fado-Haus zusammentrifft. Man kann auch nicht beschließen, es zu lernen, darum sind die, die fähig sind, Fado zu singen, auch meist Leute, die hineingewachsen sind. Fado ist Teil unserer Stadt, unseres Landes, hat Wurzeln und Regeln, denen ein Künstler nur folgen kann, wenn er sie wirklich verinnerlicht hat.
Gibt es in Ihrer Generation eine Renaissance des Fado, und wenn ja, wie erklären Sie sich das?
Carminho: Fado hat viele Zyklen. Er hat große Epochen gehabt, aber auch dunkle Zeiten, in denen Leute ihn für altmodisch oder peinlich hielten. Aber er hat immer überlebt, weil er größer ist als seine Sänger und als die Zeit. Momentan leben wir in einer glücklichen Phase, weil es viele neue Sänger gibt und sich auch das Publikum erneuert. Es sind viele junge Leute.
Was bedeutet Ihnen Fado persönlich?
Carminho: Fado war anfangs ein nicht-künstlerischer Ausdruck, ein bisschen wie der amerikanische Blues, in dem sich die Seele einer Gemeinschaft äußert. Die Sänger singen Lieder, die nirgendwo niedergeschrieben sind, die sie nur aus der Erinnerung und mit Hilfe der alten Leute lernen können. Für mich gehört absolute Hingabe ans Singen dazu, das ich allerdings künstlerisch gestalte. Fado zu singen ist für mein Leben und meine Gesundheit absolut notwendig. Es ist ein Weg, zu fliehen und meine Gefühle auszudrücken. Fado ist mein starker Anker.
Sie sind sehr jung als neue Entdeckung und Hoffnung des Fado gefeiert worden, haben sich dann aber ein Jahr Auszeit genommen und sich mit CD-Veröffentlichungen Zeit gelassen. War es schwer für Sie, mit dem Erfolg umzugehen?
Carminho: Ich hatte eher das Gefühl, mich noch vorbereiten zu müssen, mit einem richtigen Repertoire, das mich angeht, und mit dem ich mich im Leben behaupten kann. Etwas auf CD aufzunehmen ist einfach, aber es live zu präsentieren muss wahrhaftig sein. Deshalb bin ich mit der Idee, dass ich noch Reife brauchte, ein Jahr lang mit Rucksack in der Welt unterwegs gewesen, um dabei die Menschen und mich besser kennenzulernen.
Ich denke nicht, dass all die Jahre, die ich mir Zeit gelassen habe, zu viel waren. Ich musste mein Repertoire so aufbauen, dass ich jedes Wort fühlen kann. Und die Suche danach ist eine sensible, delikate Sache, die große Sorgfalt erfordert.
Was und worüber werden Sie in Saarburg singen?
Carminho: Ich werde Lieder mit eigenen Texten und Texten bekannter Autoren singen. Die Themen sind sehr vielfältig, es geht zum Beispiel um Liebe, Schmerz, Sehnsucht, Verlust oder Glück. Fado erzählt vom menschlichen Wesen. Ich glaube, das macht ihn so beliebt rund um die Welt. Auch wenn man die Worte nicht versteht, so doch die Emotionen, die jedem vertraut sind.
Das Konzert ist am Dienstag, 30. September, in der Stadthalle Saarburg. Einlass: 19 Uhr, Beginn: 20 Uhr. aeExtra

Fado (portugiesisch für Schicksal) ist ein portugiesischer Musikstil und ein Vortragsgenre. Werke dieses Stils handeln meist von unglücklicher Liebe, sozialen Missständen, der Sehnsucht nach besseren Zeiten und vor allem von der Saudade, einer Wehmut, die den Portugiesen zugeschrieben wird. Der Fado gehört seit 2011 zum immateriellen Weltkulturerbe der Unesco. red

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