Klingende Bilderteppiche, leuchtendes Garn

Trier · Eine ausgesprochen sehenswerte und in vieler Hinsicht anregende Schau zeigt die Gesellschaft für Bildende Kunst in Trier. Zehn junge Textil-Künstler der Kunsthochschule Burg Giebichenstein präsentieren dort ihre Arbeiten.

 Lisa Reichmann hat ein Jahr lang an ihrem gestickten Wandbild gearbeitet, zu sehen derzeit im Palais Walderdorff. TV-Foto:Eva-Maria Reuther

Lisa Reichmann hat ein Jahr lang an ihrem gestickten Wandbild gearbeitet, zu sehen derzeit im Palais Walderdorff. TV-Foto:Eva-Maria Reuther

Trier. Textile Künste haben in Halle eine lange Tradition. Bereits seit den zwanziger Jahren ist die Stadt an der Saale mit ihrer Kunsthochschule Burg Giebichenstein, der Nachfolgerin der einstigen Hochschule für Kunst und Design, ein Zentrum für die Gestaltung von und mit textilen Materialien. Zudem gibt es einen Studiengang, der sich der Restaurierung von Textilien widmet.
Mit ihrer wechselvollen Geschichte seit 1921 ist die Kunstburg zudem ein beredtes Zeugnis deutsch-deutscher Verhältnisse. Zehn junge Absolventen der Hochschule zeigen derzeit im Palais Walderdorff in Trier ihre Arbeiten. Nicht allein das macht die Ausstellung interessant. Sie trägt auch dazu bei, jenen Faden wieder anzuknüpfen - um im textilen Bild zu bleiben - der durch die Teilung Deutschlands zerrissen wurde.
Spannend sind zudem die Biografien der etwa zwischen 1971 und 1988 geborenen Künstler, die meist aus der ehemaligen DDR stammen und sich wohltuend von manch glattgefönter westlicher Künstlerkarriere unterscheiden. Ernsthaft und ehrlich kommen die Arbeiten daher, weitab von vordergründigem Design, auch wenn einige durchaus dekorativ sind. Mit Fantasie, Formgefühl und einer genauen Kenntnis ihrer Materialeigenschaften haben sich die Künstler mittels ihrer textilen Werkstoffe mit ihrer Umwelt, der eigenen Stellung darin sowie mit ihrer Befindlichkeit und Seelenlage auseinandergesetzt.
Eindrücklich ist das auch Franziska Friese in ihrem Wandteppich gelungen. Ein wenig hat die vielfarbige, im Wortsinn verwobene, dabei klar strukturierte Arbeit etwas von einem Musikstück. Um die Bildidee zu erarbeiten, hatte die Künstlerin zunächst eine Skizze auf Karton angefertigt. Anschließend wurde das Bild mit Hilfe von Wolle, Web art und Farbe orchestriert. Dabei ist ein in vielen Schattierungen klingender Bilderteppich entstanden, der eine Vielzahl Bilder enthält und beim Betrachter immer neue hervorruft.
Zeit entschleunigt und im Wortsinn eingestickt hat Lisa Reichmann. Ein Jahr lang hat die Künstlerin an ihrem "Teppich für das 27. Lebensjahr" gearbeitet. Stich für Stich entwickelte sich dabei das Bild aus dem Arbeitsprozess. "Für mich ist die Langsamkeit ein Mittel der Kreativität", sagt Reichmann. Das kleinteilige Sticken zwinge zum Innehalten, dazu Stich für Stich über das eigene Tun nachzudenken. Ihr poetischer Bildteppich gleicht einer Seelenlandschaft, die in ihrer Zartheit doch voller Leben ist.
Hochspannend ist Robert Perendis gewebtes Schriftbild mit seinen fluoreszierenden Garnen und seinem wechselvollem Innenleben. Auch Perendis Bild klingt wie Musik. Bei Tag hat das feine monochrome Grau einen durchsichtigen fast körperlosen Klang, bei Nacht wandelt es sich zum Discosound.
Mit der Alltagslyrik der Halle\'schen Hinterhöfe und ihren Wäscheleinen befasst sich Rebecca Rauschhardt. Witzig, wenn auch etwas statisch: Anna Maria Gawronskis virtuelle Fuchsjagd. Traditionelles Handwerk und moderne Computertechnologien verwebt Constanze Rilke zu großen abstrakten Schwarz-Weiß-Bildern nach der Natur. Als Außenseiter illusioniert schließlich Andreas Theile Stahlblech zu Gewebe. er
Bis 5. Juli, Dienstag, Donnerstag, Freitag 11 bis 13 und 14 bis 17 Uhr, Mittwoch, Samstag, Feiertag 11 bis 13 Uhr, Telefon 0651/46824491, www.gb-kunst.de

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