Kriminelles mit Kuschelfaktor

Trier · Katzen, Schafe, Insekten und Gänse: Es ist nicht etwa die Rede von den Einwohnern eines Tierparks, sondern von Ermittlern in fiktiven Kriminalfällen. Tierkrimis haben Hochkonjunktur.

Kann es für einen Kater etwas Schlimmeres geben? Der junge Francis, Rasse Europäisch Kurzhaar, muss umziehen, denn sein Besitzer hat eine neue Wohnung. Als er dann den Versuch unternimmt, sein neues Revier zu erkunden, lernt der kluge Kater nicht nur seltsame Artgenossen kennen, sondern findet auch die Leiche einer toten Katze.
Das, womit der deutsch-türkische Autor Akif Pirinçci seinen Erfolgsroman "Felidae" (1989) beginnt, ist der typische Anfang eines Tierkrimis - ein Genre, dass sich in Deutschland großer Beliebtheit erfreut.
So großer Beliebtheit, dass ganze Internetpräsenzen um das Thema entstehen. Der Wirtschaftsinformatiker Achim Schmidtmann hat die Seite www.tierkrimis.de ins Netz gestellt. Hier sammelt der Paderborner alle möglichen Infos zu fiktiven Kriminalfällen, die von Tieren gelöst werden. "Nachdem ich den Schafskrimi ,Glennkill' gelesen habe, fragte ich mich, welche Art von Tierkrimis es wohl noch gibt. Ich bin auf viele verschiedene Arten gestoßen und habe mich entschieden, diese Suchergebnisse auf einer kleinen Website unterzubringen", sagt er. Schmidtmann ist der Meinung, dass auch der große Erfolg von "Glennkill" aus der Feder von Leonie Swann dem Tierkrimi einen neuen Schub gegeben hat.
Dass Tieren in erfundenen Geschichten menschliche Eigenschaften zugeschrieben werden, ist nicht neu. Bereits aus der Antike kennt man genügend Beispiele dafür: Aesop, der 600 vor Christus lebte, war ein griechischer Sklave, der Fabeln mit Tieren als Protagonisten gedichtet haben soll, also kurze Geschichten mit belehrender Absicht. Der Sinn, menschliche Eigenschaften auf Tiere zu übertragen, liegt bei Fabeln darin, dass der Autor über diesen Umweg Kritik an Teilen der Gesellschaft üben kann, ohne dafür Strafe zu befürchten.
Auch in den modernen Tiergeschichten werden den Protagonisten menschliche Eigenschaften zugeschrieben. Leonie Swann beispielsweise verteilt in "Glennkill" die unterschiedlichen Züge eines Charakters gleich auf eine ganze Schafsherde: Es gibt ein mutiges Schaf, ein kluges Schaf, ein ängstliches Schaf und ein besonders gieriges Schaf. Alle zusammen versuchen, den Mord an ihrem geliebten Schäfer aufzuklären. Die Amerikanerin Ritae Mae Brown lässt in ihren Katzenkrimis ("Schade, dass du nicht tot bist", 1990) unterschiedliche Tierarten miteinander kommunizieren. "Tod im Anflug" von Karin Bergrath erzählt die Geschichte eines Fernseh schauenden Gänserichs, der auf einem Campingplatz lebt und mit anderen Wasservögeln Morde an Menschen und Tieren aufklärt. Typisch in allen Fällen ist, dass die Tiere die Menschen verstehen können, aber nicht umgekehrt.
Dadurch, dass die Geschichte aus der Sicht eines Tieres erzählt wird, wirkt sie auf den Leser viel niedlicher und weniger drastisch als bei anderen Kriminalfällen. Das hat zum einen den Effekt, dass Tierkrimis auch für solche Literaturfans geeignet sind, denen Krimis ansonsten eher nicht zusagen. Andererseits haben Tiere als moralische Instanz nicht gleich so eine abschreckende oberlehrerhafte Wirkung auf den Menschen.
Darüberhinaus steckt für viele Leser ein besonderer Witz dahinter, sich in den Beobachtungen, die sie bei Tieren machen, durch die Krimigeschichten bestätigt zu fühlen: Denkt ein Schaf wirklich nur ans Fressen? Leonie Swann sagt: fast immer. Was geht im Kopf meiner Katze vor? Und welche Informationen tauschen Wasservögel aus, wenn sie wild durcheinanderschnattern? Die Autoren der Tierkrimis liefern darauf natürlich keine wissenschaftliche Antwort. Teilweise handelt es sich aber um gute Beobachtungen. In anderen Fällen sind die Erklärungsversuche einfach nur amüsant.
Die Internetseite von Achim Schmidtmann ist nach seiner Aussage noch "recht unbekannt". Trotzdem hat sich die Arbeit für den Krimifan schon gelohnt: "Eine Dame hat mich letztens auf tolle Hörbücher hingewiesen."
volksfreund.de/krimispecial
Extra

Die Autorin Manuela Wirtz aus Hillesheim-Bolsdorf hat eine ganze Anthologie voller Tierkrimis herausgegeben. Illustriert ist die Geschichtensammlung mit Bildern von Gabriele Merl. Das Besondere: Die Autoren verzichten zugunsten der Tiertafeln Deutschland auf ein Honorar. slg Krimis mit Fell und Schnauze, Books on Demand, 160 Seiten, 9,90 Euro, ISBN 978-3842370500

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