Kunst und Katastrophe

Trier · "Das ist ja wie im Film": Die Szenen im japanischen Katastrophengebiet könnten direkt einem Hollywood-Schocker entsprungen sein. Endzeit-Szenarien bekommen traurige Aktualität. Schon in den 20er Jahren beschrieb der deutsche Science-Fiction Autor Hans Dominik einen Atombrand.

 Ein furchtbarer Anblick: Ein Junge sieht in der US-Serie Jericho einen Atompilz. Foto: Hersteller

Ein furchtbarer Anblick: Ein Junge sieht in der US-Serie Jericho einen Atompilz. Foto: Hersteller

(dpa/hpl) Eine gewaltige Schlacht tobt zwischen Amerika und der Sowjetunion. Riesige Luftschiffe und Flugzeuge kämpfen gegeneinander und zetteln mit ihrer Feuerkraft einen Atombrand an, der ganze Landmassen verschlingt.

Das ist kein aktuelles Szenario, der deutsche Autor Hans Dominik beschrieb es bereits im Jahr 1926 in seinem Bestseller "Das Erbe der Uraniden."

Endzeitszenarios sind so alt wie die zunehmende Technisierung der Menschheit. Kaum war die Atomkraft zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts entdeckt, beschäftigten sich auch schon Autoren mit ihren Gefahren. "Das ist ja wie im Film" ist ebenfalls ein Satz, der oft in diesen Tagen fällt. Denn die fast apokalyptischen Szenen, die sich derzeit in Japan abspielen, könnten auch aus einem Roland-Emmerich-Film stammen. Der Regisseur brachte mit seinem Blockbuster "Independence Day" (1996) oder den Klima-Dramen "The Day After Tomorrow" (2004) und "2012" (2009) Endzeit-Szenarien mit Bildern ins Kino, die in diesen Tagen traurige Aktualität — und Realität bekommen.

Godzilla im Tsunami-Land

 Ein furchtbarer Anblick: Ein Junge sieht in der US-Serie Jericho einen Atompilz. Foto: Hersteller

Ein furchtbarer Anblick: Ein Junge sieht in der US-Serie Jericho einen Atompilz. Foto: Hersteller



Emmerich ist nicht der Einzige und nicht der Erste, der apokalyptische Katastrophen zu seinem Thema gemacht hat. Schon im Jahr 1807 schrieb Heinrich von Kleist die Novelle "Das Erdbeben von Chili" — womöglich inspiriert von dem verheerenden Erdbeben in Lissabon im Jahr 1755.

Ende der 1990er Jahre erzählten die Filme "Armageddon" und "Deep Impact" (beide 1998) von Meteoriteneinschlägen auf der Erde, zeigten Zerstörung, Chaos und menschliche Tragödien. In "Deep Impact" drohte eine riesige Flutwelle die Menschheit auszulöschen. Immer wieder tritt auch das japanische Filmmonster "Godzilla" als Verkörperung jeglicher Form von Urängsten in Erscheinung und bedroht die Zivilisation - bereits in den 50er Jahren füllte dieser Film die Kassen. Bemerkenswert: Die Ursache für Godzillas Aggression und seine enormen Kräfte ist eine radioaktive Verseuchung der Echsenmonsters.

"The Day After — Der Tag danach" aus dem Jahr 1983 ist ein drastischer Film über einen Atomkrieg und über den darauffolgenden Zerfall gesellschaftlicher Strukturen in den USA. Ähnlich auch Gudrun Pausewangs Jugendbuch-Klassiker "Die letzten Kinder von Schewenborn" aus dem selben Jahr, der schockierend und eindringlich das Szenario eines Atomkrieges in Deutschland entwirft. 1986 erzählt auch der britische Zeichentrick-Film "Wenn der Wind weht" von den Folgen eines solchen Krieges. "Das China-Syndrom" mit Michael Douglas und Jane Fonda aus dem Jahr 1979 macht aus einem Störfall in einem amerikanischen Atomkraftwerk einen Polit-Thriller. Darin geht es um eine wahre Begebenheit und die Mitarbeiterin einer Plutoniumaufbereitungsanlage, die unter nie geklärten Umständen ums Leben kam. Was nach den Störfällen im Atomkraftwerk Fukushima auf die Menschen in Japan zukommt, ist noch unklar. Im Jahr 1987 aber - ein Jahr nach dem Super-Gau von Tschernobyl - entwarf Pausewang ein erschütterndes Szenario für einen größten anzunehmenden Unfall in Deutschland. In ihrem Buch "Die Wolke" fliegt das Atomkraftwerk im bayerischen Grafenrheinfeld in die Luft. Die 14 Jahre alte Janna-Berta versucht, mit dem Fahrrad vor der bedrohlich herannahenden radioaktiven Wolke zu fliehen.

Aktuell beschreibt der österreichische Autor Hans Platzgumer in seinem Roman "Der Elefantenfuß", der in diesen Tagen auf der Leipziger Buchmesse präsentiert wird, ein skurilles Treffen unterschiedlicher Menschen in der Todeszone um das zerstörte Atomkraftwerk Tschernobyl. Ein Paar will in der Einsamkeit der Landschaft Gott suchen, ein Biologie-Student forscht nach wilden Hunden und ein Strahlenopfer lebt dort seine letzten Tage. Währenddessen hat die Natur die verstrahlte Landschaft schon wieder zurückerobert. Ein schwacher Trost.

Hans Platzgumer: Der Elefantenfuß, Limbus Verlag, Insbruck, 2011.

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