Musikalische Rebellion

Trier · Im großen Saal der Tuchfabrik holt Pianist Kai Schumacher die musikalischen Helden seiner Jugend auf ungewöhnliche Weise auf die Bühne. Tanz und Videoinstallation ergänzen die expressive Vorstellung. Es ist die Transformation eines Lebensgefühls.

 Hannah Ma tanzt bei der Aufführung von „Seasons in the abyss“ in der Trierer Tuchfabrik zum Beat ihrer musikalischen Helden. TV-Foto: Lisa Bergmann

Hannah Ma tanzt bei der Aufführung von „Seasons in the abyss“ in der Trierer Tuchfabrik zum Beat ihrer musikalischen Helden. TV-Foto: Lisa Bergmann

Trier. Kai Schumacher haut in die Tasten, entlockt seinem Instrument Töne, die sicher niemand dort vermutet hätte. Rage against the machine, Nirvana, System of a down - Grunge und Heavy-Metal-Gitarrengeschrammel auf dem Piano neu interpretiert. Dazu eine klassische Balletttänzerin, die katzengleich über die Bühne rollt, mal expressiv tanzt und mal regungslos verharrt.
Auf vier Leinwänden dann das dritte Element der Aufführung, die Videoinstallationen des Videoartisten und Schauspielers Alex-ander Ourth. Mal ästhetisch, mal verstörend, etwa wenn plötzlich Millionen von Fliegen virtuell über die Haut von Tänzerin Hannah Ma krabbeln. Mit jedem Stück verbinden sich die Elemente immer mehr zu einem großen Ganzen und bringen das Lebensgefühl einer Jugend in den 90er Jahren in den großen Saal: Rebellion und Sex, Drugs and Rock \'n\' Roll.
"Seasons in the abyss" ist die Bühnenadaption des 2013 erschienenen Albums "Transcriptions", auf dem Schumacher die Musik seiner Jugendzeit für das Piano neu arrangierte. "Das ist die Musik, mit der Hannah und ich sozialisiert wurden", sagt er. Beide sind Ende der 1970er Jahre geboren worden, erlebten in den Neunzigern nicht nur ihre Pubertät, sondern auch ihre musikalische Sozialisation. "Die Musik, mit der man aufwächst, prägt am meisten", sagt Schumacher. Und sie bildet einen Kontrast zur klassischen Ausbildung, die beide durchlaufen haben: Ma in Ballett und Tanz, Schumacher am Piano.
Auf Mas Initiative hin wurde aus dem Album ein Bühnenstück. Schließlich kam Alexander Ourth dazu, er verbindet mit seinen Videoinstallationen Musik und Tanz. Etwa wenn Ma zu harten Technorhythmen tanzt, so wie sie es damals in den angesagten Clubs getan haben mögen. Dann pulsieren grafische Formen auf der Leinwand im gleichen, schnellen Takt.
Für den Titel stand der Song "Seasons in the abyss" der Band Slayer Pate. "Das ist der Song, der auf ,Transcriptions\' die größte Transformation durchgemacht hat", erklärt Schumacher. "Eigentlich harter Trashmetal-Sound, ist es bei mir fast das ruhigste Stück geworden." Es ist Sinnbild für die Transformation, die die musikalischen Helden der Jugend auf Schumachers Piano erleben, sowohl auf dem Album als auch in der Bühnenadaption. Jugendliche Rebellion also, aber äußerst erwachsen interpretiert.
"Seasons in the abyss" wird nach der Premiere in Mainz in der vergangenen Woche und der Aufführung in Trier erneut am 21. Januar in Salzburg gezeigt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort